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Demo in Merseburg-West Demo in Merseburg-West: Asylgegner führen die Behörden vor

Von Michael Bertram 29.01.2016, 13:50
Die ehemalige Sekundarschule in Merseburg-West ist eine Notunterkunft für Flüchtlinge.
Die ehemalige Sekundarschule in Merseburg-West ist eine Notunterkunft für Flüchtlinge. Peter Wölk Lizenz

Merseburg - Eigentlich schien alles klar: Die Richter des Verwaltungsgerichts in Halle hatten den Asylgegnern am Freitagnachmittag erlaubt, an diesem Samstag in Merseburg-West in unmittelbarer Nähe der dortigen Notunterkunft für Flüchtlinge zu demonstrieren. „Betroffene einer Versammlung, im konkreten Fall auch Flüchtlinge, müssen eine Versammlung und die dort getätigten Äußerungen aushalten“, begründete Volker Albrecht, Sprecher des Verwaltungsgerichts, die Entscheidung der Richter. Gleichzeitig schränkte er jedoch ein, dass Straftatbestände wie Beleidigungen oder volksverhetzende Aussagen nicht unter die Versammlungsfreiheit fallen und demnach nicht durch das Urteil geschützt sind. Der Entscheidung vorausgegangen war ein Eilantrag des Demoanmelders gegen eine restriktive Auflage des Kreises.

Der Anmelder hielt dann jedoch am späten Freitagabend die Behörden zum Narren. Nachdem das Gericht zu dessen Gunsten geurteilt hatte, sagte er die Demo kurzfristig ab. Der Sieg gegen die Versammlungsbehörde am grünen Tisch schien ihm bereits zu genügen.

Diese hatte ihm die geplante Kundgebung genehmigt, jedoch einen Demonstrationszug durch die Otto-Lilienthal-Straße, in der die Asylunterkunft steht, per Auflage verweigert. Der Anmelder sah dies nicht ein und wandte sich an das Verwaltungsgericht, das ihm dann schließlich recht gab.

Auch wenn die Demonstration letztlich abgesagt wurde: Die richterliche Entscheidung steht nicht nur der Auflage des Landkreises entgegen. Nach der aufgekommenen Kritik an beinahe täglichen Versammlungen, die zum Teil nicht angemeldet waren, und sogenannten Spaziergängen „besorgter Bürger“ in der Nähe der Flüchtlingsunterkunft hatte der Landkreis angekündigt, das Versammlungsrecht in dem Gebiet fortan konsequenter durchzusetzen (die MZ berichtete). Rückendeckung erhielt der Kreis vom Landesverwaltungsamt. Da die Treffen vor dem Flüchtlingsheim regelmäßig stattgefunden haben und es sich zumeist auch um den gleichen Personenkreis handelt, könne man nicht von einer spontanen Zusammenkunft ausgehen, hieß es von Seiten der Behörde. Sie würden in einer aggressiven Stimmung einen Vertreibungsdruck aufbauen. Deshalb seien diese Versammlungen im unmittelbaren Umfeld der Unterkunft zu verbieten. Was das unmittelbar bedeutet, hatte das Innenministerium unlängst sogar in einem Erlass definiert. Demnach soll vor Flüchtlingsheimen eine Schutzzone von 500 Metern gelten.

„Wir nehmen die Entscheidung hin“, hatte Landrat Frank Bannert (CDU) nach Verkündigung der Gerichtsentscheidung noch erklärt. „Das Urteil kommt meiner Auffassung von Versammlungsfreiheit sehr nah“, sagte er. Dennoch kündigte er an, dass man Gewalt oder volksverhetzende Parolen weiterhin nicht tolerieren und bei entsprechenden Vorfällen am Samstag auch reagieren werde. Schon wenige Stunden später schien das nicht mehr nötig. (mz)