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Psychater Hans-Joachim Maaz im Porträt Psychater Hans-Joachim Maaz im Porträt: Experte in jeder Beziehung

Von sandy schulze 19.01.2016, 16:11
Hans-Joachim Maaz ist seit Jahren im Ruhestand. Die Arbeit geht trotzdem weiter - für seine Stiftung und ein neues Buch.
Hans-Joachim Maaz ist seit Jahren im Ruhestand. Die Arbeit geht trotzdem weiter - für seine Stiftung und ein neues Buch. Silvio Kison Lizenz

Halle (Saale) - Hans-Joachim Maaz sitzt mit Blick zum Fenster, für die Aussicht hat er an diesem Mittag trotzdem nichts übrig. Er ist mit seinem Stuhl nah an den Schreibtisch gerückt - allein im Gruppenraum in der Praxis seiner Frau und tief versunken in seine Arbeit.

Dabei ist der bekannte Psychotherapeut seit Jahren im Ruhestand. Passt gut, denn jetzt bleibt dem 72 Jährigen genug Freiraum, auch das zu schaffen, wofür sonst zu wenig Zeit blieb. Seit Ende 2013 leitet er seine Stiftung Beziehungskultur, er schreibt an einem neuen Buch - zum „falschen Leben“ - und ist weiterhin ein deutschlandweit gefragter Interviewpartner zu Themen von Pegida bis Kita-Betreuung. Dass Maaz dabei auch aneckt, ist unvermeidlich.

Um möglichst hohe Ausschläge auf der Beliebtheitsskala geht es dem Hallenser aber ohnehin nicht: „Das Wichtigste ist, ehrlich zu sein und Würde zu bewahren“, sagt der ehemalige Chefarzt der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik am Diakoniekrankenhaus. Der Meinung anderer nachzulaufen, das ist nichts für Hans-Joachim-Maaz: „Deshalb bin ich auch nie in einer Partei gewesen“, sagt er.

Der Weg zu seiner Ausbildung begann auch mit dem Bedürfnis, das eigene Leben besser verstehen und einordnen zu können: „Ich kam 1943 zur Welt, zwei Jahre später wurden wir aus dem Sudetenland nach Sachsen vertrieben.“

Psychogramm der DDR

Seine Kindheit war von Armut und Mängeln geprägt, die Eltern hatten wenig Zeit für ihre beiden Kinder. Inmitten bedrohlicher Zustände von Vertreibung bis Hunger blieb weder Zeit noch Kraft, um sich mit seelischen Befindlichkeiten auseinanderzusetzen. Hans-Joachim Maaz hatte seine ganz eigenen psychischen Kratzer und Schrammen davongetragen: „Wie viele andere auch“, stellt er fest. Gespürt hat er den Mangel, seine Bedürfnisse anerkannt zu bekommen, früh. Einordnen konnte er ihn erst Jahre später. In der DDR ging Maaz derlei Fragen dann professionell auf den Grund: Am Diakoniekrankenhaus genoss er unter dem Dach der Kirche relativ viele Freiheiten und entwickelte neue Therapieformen. Nach einiger Berufserfahrung und Kontakt mit Patienten begann er, aus Sicht des Therapeuten gesellschaftliche Prozesse zu untersuchen. 1990 das erste Buch: „Der Gefühlsstau - Ein Psychogramm der DDR“.

„Man kann erlernte Verhaltensweisen nicht einfach wie ein Hemd wechseln“, erklärt Maaz, „Galt es in der DDR noch, vorsichtig zu sein und sich unterzuordnen, sind jetzt in der Gesellschaft ganz andere Eigenschaften gefragt. Sei stark zum Beispiel“. Wichtig zur inneren Ausgeglichenheit, so Maaz, ist vor allem eine gesunde Beziehungskultur. Sieht es bei zwischenmenschlichen Beziehungen mager aus, bietet ein Verhaken im „falschen Leben“ einen Ausgleich, Materielles und äußere Erfolge rücken dann in den Mittelpunkt. „Vielen ist gar nicht bewusst, wer sie wirklich sind und was sie wollen.“

Neuer Schwerpunkt: Vorbeugen

Als Autor hängt ihm der Ruf an, ein ganzes Volk auf die Couch zu legen. „Das ist natürlich Quatsch“, entgegnet er. „Ich unterstelle nicht, dass alle krank sind“. Andererseits stimmt die Behauptung aber doch: Viele seien unzufrieden oder unnötigen Belastungen ausgesetzt. Hier will der Hallenser ansetzen. In seinem Ruhestand hat er einen neuen Schwerpunkt gefunden. Seine Stiftung Beziehungskultur setzt auf Vorbeugung. Wichtig ist die Frage: „Was können wir außerhalb von Kassenleistungen präventiv in die Gesellschaft hineintragen?“ Mit Supervision und Beratung für Erzieher in Kindertagesstätten oder Angeboten für Eltern, die mit ihren Kindern nicht weiterwissen, sind die ersten Schritte schon erfolgt. (mz)