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Exotische Haustiere bergen Gefahren Exotische Haustiere bergen Gefahren: Salmonellen-Erkrankungen durch Reptilien-Kontakt

Von Bärbel Böttcher 13.01.2016, 18:55
Eine Bartagame auf dem Kopf, die Schlange um den Hals - dieser Umgang mit den Reptilien kann gefährlich werden.
Eine Bartagame auf dem Kopf, die Schlange um den Hals - dieser Umgang mit den Reptilien kann gefährlich werden. dpa Lizenz

Wernigerode/Halle (Saale) - Im Mai 2012 erkrankt in Hessen ein zwei Monate altes Baby an einer schweren bakteriellen Hirnhautentzündung. Ursache ist eine Infektion mit Salmonellen. Sowohl im Liquor (Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit) als auch im Stuhl des Säuglings finden die Mediziner ungewöhnliche Salmonellenarten. Nämlich solche, die gewöhnlich von Reptilien ausgeschieden werden. Es stellt sich heraus: Das Haustier der Familie ist eine Bartagame, eine Echse, die wie ein kleiner, putziger Mini-Drachen aussieht. In ihrem Kot werden dann die entsprechenden Salmonellen nachgewiesen. Die Infektionskette ist geschlossen und die Ursache der Erkrankung geklärt.

Eine hohe Dunkelziffer

Dr. Wolfgang Rabsch vom Nationalen Referenzzentrum für Salmonellen und andere bakterielle Enteritiserreger am Robert Koch-Institut (RKI), das seinen Sitz in Wernigerode im Harz hat, kann über viele solche Fälle berichten. „Die Zahl der Salmonellose-Erkrankungen bei Kindern, die jünger als zwei Jahre sind und bei denen ein Reptilienkontakt nachgewiesen wird, nimmt seit etwa zehn Jahren ständig zu“, sagt er. Der Mikrobiologe sieht das an den Proben, die Klinik-Labore aus ganz Deutschland zur Untersuchung an das RKI senden. Wurden von 1997 bis 1999 in 50 Proben Reptilien-übliche Salmonellen gefunden, waren es von 2012 bis 2014 bereits 196. „Und es gibt eine hohe Dunkelziffer“, fügt er hinzu.

Ungewöhnliche Haustiere

Rabsch beobachtet etwa seit dem Jahr 2006 ein steigendes Interesse an Reptilien. „Die artgerechte Haltung der Tiere in Terrarien ist durch moderne Steuerungstechnik zum Beispiel der Temperatur leichter geworden“, sagt er. Zudem sei eine ausreichende Versorgung mit Lebendfutter durch Zoohandlungen gewährleistet. Und so gehören nicht nur Hund, Katze oder Kaninchen zu beliebten Mitbewohnern der Deutschen, sondern auch immer mehr Schildkröten, Schlangen, Geckos, Chamäleons und Bartagamen. Laut einer Statistik gibt es in Deutschland etwa 800.000 Terrarien. Das ist lediglich eine grobe Schätzung. Denn jedermann kann sich so ein Tier anschaffen. Gelegenheit zum Kauf gibt es nicht nur in Fachgeschäften, sondern auch auf Reptilienbörsen, die sich in Deutschland wachsender Beliebtheit erfreuen.

Doch was unter den Tierfreunden wenig bekannt ist: Reptilien sind Träger und Ausscheider von Salmonellen. Sie werden bei bis zu 90 Prozent der Tiere nachgewiesen. Oftmals finden die Wissenschaftler bei den Tieren sogar mehr als eine Salmonellen-Art. Und das kann für den Menschen gefährlich werden. „Besonders für kleine Kinder“, sagt Rabsch.

Wie aber kommen Säuglinge mit Schlangen, Schildkröten oder Bartagamen in Berührung?

„Es handelt sich meist um Kontaktinfektionen“, erklärt der Wissenschaftler. Die Salmonellen lebten nicht nur im Darm, sondern auch auf der Außenhaut der Tiere. Rabsch spricht von einem Biofilm, einem Gebilde auf der Reptilienhaut, das bei Wärme und Feuchtigkeit, also in der Umgebung, in der sich die Tiere wohlfühlen, wachse. Und die Salmonellen in diesen Biofilmen seien auch in Sandpartikeln und an den Glaswänden des Terrariums überlebensfähig. Sowie ein Mensch das Tier berühre, etwa beim Füttern oder beim Säubern des Terrariums, habe er die Salmonellen auf der Hand. „Wie schnell passiert es dann, dass beispielsweise die Nase juckt, es wird sich ins Gesicht gefasst und anschließend das Baby geknuddelt“, ergänzt er. Oder es werde gestreichelt, an den Händen gefasst, die es anschließend in den Mund steckt. Oftmals seien es auch ältere Geschwister, die mit der doch so niedlichen Bartagame oder Schildkröte spielten wie mit ihrer Puppe, sie kuschelten, küssten und anschließend das Geschwisterchen anfassen. Sie gefährden so übrigens nicht nur den Säugling, sondern auch sich selbst.

Unter bestimmten Umständen können Salmonellen, die in oder auf Reptilien leben, auch erwachsenen Menschen gefährlich werden. Das beweist der Fall einer Frau aus Norddeutschland. Sie litt unter Magenschmerzen und Durchfall. Das steigerte sich bis zu Magenkrämpfen. Sie bekam Kreislaufprobleme und starke Kopfschmerzen. Herkömmliche Medikamente, die der Frau von Ärzten verordnet wurden, schlugen nicht an.

Nach wenigen Tagen stellte sich heraus, dass die Frau unter Salmonellose litt. Die Bakterien waren von Reptilien übertragen worden. In der Familie lebten eine Bartagame, ein Jemenchamäleon, eine griechische Landschildkröte und eine Kornnatter. Allerdings schon seit 15 Jahren. Und nie war es in der Familie zu irgendwelchen Erkrankungen gekommen - auch nicht ihren Kindern oder ihrem Ehemann.

Später wurde bekannt, dass die Frau wegen eines Asthmaleidens seit zwei Jahren Kortison-Spray inhaliert. Das schwächt ihr Immunsystem und die Salmonellen hatten freie Bahn. Da die Frau auf ihr Medikament nicht verzichten kann, musste sie sich schweren Herzens von ihren Tieren trennen. Sie wurden von der Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde, in der die Reptilienfreunde organisiert sind, übernommen.

Das Beispiel zeigt, dass es neben den kleinen Kindern weitere Risikogruppen gibt: das sind unter anderem Menschen, die beispielsweise nach einer Organtransplantation Medikamente nehmen müssen, die das Immunsystem schwächen (Immunsuppressiva), die an einer chronischen Erkrankung leiden, die die Einnahme etwa von Kortison erfordert, oder auch Menschen, die sich wegen einer Krebserkrankung in Behandlung befinden. 

Keine Gefahr für gesunde Erwachsene

Übertragungswege gebe es viele, meint Rabsch. Ja, es sei nicht einmal ausgeschlossen, dass die Salmonellen im Biofilm etwa durch den Staub, den der Besitzer bei der Reinigung des Terrariums oder beim Füttern der Tiere aufwirbelt, übertragen werden. Er berichtet zudem von Fällen, wo bei Katzen oder anderen Haustieren, die im Haushalt zusammen mit den Reptilien frei herumlaufen, die gleichen Erreger nachgewiesen wurden.

„Gesunden Erwachsenen können diese Salmonellen in der Regel nichts anhaben“, sagt Rabsch. Doch ein Säugling habe in den ersten sechs Monaten nur das angeborene Immunsystem. Erst danach entwickelten sich langsam zusätzliche Abwehrkräfte. Die Empfehlung des RKI lautet deshalb: Wenn Kinder unter fünf Jahren im Haushalt sind, sollten keine Reptilien gehalten werden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite unter anderem was Rolf Schumann von der Reptilienauffangstation in Weißenfels über den Umgang von Kleinkindern mit Reptilien hält.

Rolf Schumann von der Reptilienauffangstation in Weißenfels hält die Warnungen für übertrieben. Wenn die Tiere artgerecht gehalten würden, könne gar nichts passieren, sagt er. Der 54-Jährige befürwortet ausdrücklich, dass Kinder mit Reptilien umgehen. „Angeleitet durch verantwortungsbewusste Eltern“, fügt er hinzu. Bartagamen, Schildkröten oder Schlangen seien kein Spielzeug. „Sie gehören ins Terrarium und sollten sich nicht frei in der Wohnung bewegen“, betont Schumann. Und ganz wichtig sei die Hygiene. „Wenn ich mit Reptilien umgehe, dann muss ich mir hinterher die Hände waschen“, unterstreicht er.

Ausführliche Beratung

Seine Kunden, so sagt der Weißenfelser, berät er ganz ausführlich. Er erkläre ihnen, was das Tier brauche. Dazu gehörten aber auch Hinweise zur Hygiene. Rabsch hat allerdings die Erfahrung gemacht, dass es viele Reptilienhalter damit nicht so genau nehmen. Oft aus Unkenntnis. Das gelte nicht nur für das Händewaschen. Er erzählt von Fällen, wo das Terrarium im Küchenwaschbecken oder in der Badewanne gesäubert wurde. Wodurch bei mangelhafter Säuberung die Salmonellen auf alles übertragen werden könnten und schließlich beim Kind landeten. Kreuzkontamination heißt der Fachbegriff dafür. Dabei hat Rabsch durchaus Verständnis für die Freunde der exotischen Tiere. „Sie haben weder Federn noch Haare und sind deshalb auch für Kinder mit Allergien eine Möglichkeit, mit Tieren zusammen im Haushalt zu leben“, sagt er. Ein Umstand, den auch Schumann hervorhebt.

Zudem, so Rabsch weiter, könne beispielsweise eine Schlange sechs Wochen alleingelassen werden. Sie brauche in dieser Zeit keine Nahrung. Also könne die Familie ohne Bedenken in den Urlaub fahren, brauche keinen Nachbarn zu bitten, sich um das Terrarium zu kümmern. „Insofern sind die Tiere sogar besser als Blumen. Die muss man gießen“, meint Rabsch. Wenn da nicht die Salmonellen wären.

Vor denen zu warnen wird der Wissenschaftler nicht müde. Beispielsweise in Fach- und populärwissenschaftlichen Zeitschriften. Aber auch in neueste Lehrbücher der Kinderheilkunde wird jetzt darauf hingewiesen. Denn auch die Ärzte, so sagt er, fahndeten bei Salmonellose meist nur nach kontaminierten Eiern, Hackfleisch oder pflanzlichen Produkten. Dabei sei es altes Wissen, das Reptilien Salmonellen beherbergen. Es sei nur mit der Zeit teilweise verloren gegangen.

Seit einiger Zeit gibt es zudem auf der Homepage der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) eine gemeinsame Stellungnahme der DVG und des Nationalen Referenzzentrums für Salmonellen am RKI, welche auf das Problem hinweist und Reptilienhaltern Ratschläge gibt.

Salmonellose, die von Reptilien übertragen wird, ist mit Antibiotika gut zu behandeln. In Deutschland sind - anders als etwa in Österreich - bisher keine Todesfälle bekanntgeworden. Und Rabsch will, dass das so bleibt.

Gegen ein Verbot

Sollte die Reptilienhaltung für Privatleute also verboten werden, wie es beispielsweise in Norwegen der Fall ist? Davon hält der Wissenschaftler nichts. „Dann werden die Tiere im Untergrund gehandelt“, sagt er. Er ist für Aufklärung - in den Zoohandlungen und auch auf den Reptilienbörsen. Gerade letztere seien aber ein lukratives Geschäft, dass sich Händler und Züchter nicht verderben lassen wollten.

Der Wissenschaftler würde sich eine Stelle wünschen, an der Familien beraten werden, welches Haustier zu ihr passt. Wo sie Informationen über Vorteile und Risiken erhalten und dann nach gründlicher Überlegung vielleicht doch zu dem Schluss kommen: „Eine Katze passt besser zu uns.“ (mz)

Der Panzer des lebendigen Tieres war laut Polizeiangaben überall mit Strasssteinen beklebt. (Symboldbild)
Der Panzer des lebendigen Tieres war laut Polizeiangaben überall mit Strasssteinen beklebt. (Symboldbild)
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