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Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt: Quo vadis - Sachsen-Anhalt?

Von Christian Eger 20.01.2016, 20:22
Im Neuen Theater: Gunnar Schellenberger (CDU-Landtagsabgeordneter), Claudia Dalbert (Grüne-Chefin), Moderator Olaf Zimmermann, Wulf Gallert (Fraktions-Chef Die Linke) und Detlef Wendt (SPD-Stadtrat in Halle, v. l.)
Im Neuen Theater: Gunnar Schellenberger (CDU-Landtagsabgeordneter), Claudia Dalbert (Grüne-Chefin), Moderator Olaf Zimmermann, Wulf Gallert (Fraktions-Chef Die Linke) und Detlef Wendt (SPD-Stadtrat in Halle, v. l.) Lutz Winkler Lizenz

Halle (Saale) - Den ersten Applaus setzt es nach einer Stunde. Wulf Gallert, Spitzenkandidat der Partei Die Linke, hatte gerade zu einem kraftvollen „J’accuse!“ ausgeholt, zu einem klassischen Ich-klage-an-Ruf. Von einem „massiven Schaden“, den die Rotstiftpolitik der Regierung den Bühnen in Eisleben, Dessau und Halle zugefügt hätte, spricht der Chef der Linksfraktion im Landtag. „Dieses substanzielle Versagen prangere ich an!“ Und: „Ich hätte gerne mit den Herren Dorgerloh und Haseloff darüber diskutiert.“ Hier brandet der Beifall auf, denn die Herren sind nicht auf dem kulturpolitischen Podium vertreten, das am Dienstagabend im Großen Saal des Neuen Theaters in Halle unter dem Motto „Quo vadis - Sachsen-Anhalt?“ stattfand.

In Sachen Stephan Dorgerloh war das ein bisschen unfair, denn der SPD-Kultusminister war von vornherein nicht eingeladen gewesen. Offenbar rechnet der Freundeskreis des Neuen Theaters, der die Diskussion veranstaltete, nach der Landtagswahl am 13. März nicht mehr mit der Anwesenheit des Theologen im Kabinett. Eingeladen hatte der Freundeskreis neben Gallert die Spitzenkandidatin der Grünen, Claudia Dalbert, den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) und die SPD-Spitzenkandidatin Katrin Budde. So war es auch auf der Ankündigung zu der bestens besuchten Gesprächsrunde zu lesen. Aber tatsächlich war hier nur von „eingeladen“ die Rede. Budde und Haseloff sagten ab, warum, blieb dem Publikum verborgen. Das sah die Stellvertreter. Die CDU entsandte den Vorsitzenden des Landtags-Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Gunnar Schellenberger, die SPD den halleschen Stadtratsabgeordneten Detlef Wendt. Das tat der Sache keinen Abbruch. Nur hätte man gern einmal Katrin Budde erlebt. Denn auch während der Kulturkämpfe im Sommer 2013 hatte man von der SPD-Landeschefin kein einziges Wort gehört.

Für das Kommunizieren und Moderieren in Sachen Kultur ist in Sachsen-Anhalt der Berliner Olaf Zimmermann zuständig, der bereits von 2011 an den längst legendären Kulturkonvent des Landes zusammenhielt. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates ist dafür ein geeigneter Mann. Trotz seiner SPD-Mitgliedschaft hält er Distanz zu allen Seiten, ohne seine eigenen Positionen nach vorne zu spielen. Beinahe überkorrekt lässt er die Diskutanten der alphabetischen Reihe ihrer Nachnamen nach zu Wort kommen. Und das gilt den Stichworten Kulturkonvent (Was bewirkte der?), Theatersituation (Wie können die Haustarife verschwinden?) und Kulturpolitik für Sachsen-Anhalt, von der jeder Politiker einen Begriff haben sollte, der sich zur Wahl stellt.

Kulturpolitik fällt in den Wahlprogrammen kurz aus

Zimmermann ist voll von Erwartung. Selten zuvor habe er vor einer Landtagswahl eine so „kribbelnde Stimmung“ erlebt. Er ruft die Saalgäste dazu auf, einmal die Wahlprogramme der einzelnen Parteien in Sachen Kultur zu befragen. Das lohne sich, sagt er, gerade im Hinblick auf die Unterschiede. Eine schwere Lektüre sei das nicht, denn die kulturpolitischen Ausführungen seien jeweils „nicht lang“. Was im Saal nicht überrascht. Aber der bekommt an diesem Abend auch die mündliche Langfassung.

In Sachen Kulturkonvent, der im Auftrag des Landtages Empfehlungen für die Kulturpolitik zu erarbeiten hatte: euphorischer Start, durchaus gute Arbeit, aber schlechte Wirkung, urteilt Claudia Dalbert über das Gremium, dem sie selbst angehörte. Aus dessen Abschlussbericht zöge jeder Politiker heraus, was ihm passe, was nicht, bliebe unerwähnt. Sie fordert einen kulturpolitischen „Neustart“, weg von einer Politik, die hauptsächlich „in Steine investiert“ und auf „Musealisierung“ setze, eine Neu-Lektüre des Konventberichtes könne da nützlich sein. Wulf Gallert sieht das nicht viel anders. Das Ignorieren des Berichtes habe allgemein eine „negative Einstellung zur Politik“ befördert. Dabei hätte das Papier durchaus auch „bindend“ sein sollen, sagt er. Gallert verweist auf das im Herbst 2015 veröffentlichte Landeskulturkonzept der Linken (Kulturregionen, Entscheidungs-Transparenz, Kompetenz-Räte, Betten-Steuer für Kultur): „Das ist unser Regierungsprogramm.“ Das muss Gunnar Schellenberger nicht bieten. Der CDU-Mann lobt, dass der Konvent die vielen Kultursparten im Land sichtbar gemacht hätte („erstaunlich“) und die Kulturkonferenz, als Dachverband der Kulturverbände, nach sich zog. Schellenberger ist entschieden ein Freund der repräsentativen Musik-Kultur. Und der Fragen: „Was wollen wir uns leisten? Was können wir uns leisten?“ Ein Mantra, in das Claudia Dalbert beherzt hineingrätscht. Kunst ist für sie nicht nur Wohlklang im gepflegten Ambiente. Sondern: „Daseinsvorsorge, gesellschaftliche Selbstvergewisserung, Demokratie-Impuls“.

Wendt: Rauswurf des Bauhausdirektors hätte nicht sein müssen

Detlef Wendt, der schwer verbergen kann, dass er unter dem Politik-Vollzug seines Parteifreundes Dorgerloh gelitten hat, beklagt, dass „wir in diesem kleinen Land so schlecht kommunizieren“. Er kritisiert die Art und Weise der Kürzungs-Politik. „Viel böses Blut“ hätte man sich ersparen können, wenn man „die Einflugkurve auf die Zielgerade“ besser gestaltet hätte. Schellenberger stimmt zu, auch im Blick auf den Rauswurf des Bauhausdirektors: „Das waren keine schöne Dinge, die wir im Land erleben mussten. Da haben wir kulturell Schaden genommen, was nicht hätte sein müssen.“

Wendt lehnt Haustarife auf Dauer ab, hält sie auf Zeit aber für hinnehmbar. Die müssen weg, halten Dalbert und Gallert dagegen. Sie kündigen für den Fall der Fälle „Nachverhandlungen“ an. Die sind offenbar auch für das bereits mehrfach novellierte Denkmalschutzgesetz in Sachsen-Anhalt notwendig, folgt man den Einwürfen der im Publikum gut aufgestellten Denkmalschutz-Lobby, der das Podium in der Stegreifsituation aber sachlich nicht gewachsen ist. Das ist ohnehin das Dilemma von Schau-Diskussionen: In der Sache interessant wird es immer erst, wenn es in Detail geht, das aber ist selten unterhaltsam.

Einige Zahlen finden trotzdem Interesse, zum Beispiel jene, die Claudia Dalbert vorstellt. Demnach seien die Anteile für Kultur und Kunst im Kulturetat - ohne Denkmalschutz und Welterbestätten - von 2011 bis 2015 um insgesamt rund 14 Prozent, also um etwa 12,8 Millionen Euro, gefallen. Insofern wäre Sachsen-Anhalts Kultur tatsächlich „steinreich“, aber ärmer dran. (mz)