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Chamäleon des Pop Chamäleon des Pop: David Bowie schenkt Fans neues Album 48 Stunden vor seinem Tod

Von Steffen Könau 11.01.2016, 12:46
Der britische Sänger David Bowie ist im Alter von 69 Jahren gestorben.
Der britische Sänger David Bowie ist im Alter von 69 Jahren gestorben. dpa Lizenz

halle (Saale) - Er hat gewusst, wie es enden wird. Und David Bowie, der vor 18 Monaten erfahren hatte, dass er an Krebs erkrankt ist, entschloss sich, seinen eigenen Nachruf zu singen. „Etwas geschah am Tag seines Todes“, singt er auf „Blackstar“, dem Album, das 48 Stunden vor dem Tod des britischen Rockstars erschien, „der Geist erhob einen Meter, er trat zur Seite und jemand anderes übernahm seinen Platz und schrie“.

Bowie selbst, 69 Jahre alt, schreit nicht mehr. Schon als er zuletzt vor drei Jahren aus einer Pause zurückkehrte, die ein Jahrzehnt umfasste, hatte der Mann mit der Vorliebe für Chamäleon-Verwandlungen ein neues Gewand übergezogen. Bowie blickte zurück auf seine Berliner Jahre, als er in der geteilten Stadt mit „Low“, „Heroes“ und „Lodger“ drei Meisterwerke produzierte. „Ein Mann, verloren in der Zeit“ sei er, sang Bowie zu Mollanschlägen, aber so lange es Sonne gebe, gebe es auch Regen.

Die Stimme des Sohnes eines Zimmermädchens und des Pressesprechers eines Kinderheimes war damals schon gedämpft und nachdenklich. Bowie, der Anfang der 70er als Kunstfigur Ziggy Stardust in schrillen Kostümen berühmt wurde, verkörperte nun den Weisen vom Berge, der die Zeitläufte an vorüberrauschen sieht. Bowie war nicht mehr der Schönling mit dem metrosexuellen Charme, sondern ein grau gewordener Mann, der mit brüchiger Stimme von früher erzählt und sich dabei fragt: „Wie sind wir hierher geraten?“

Schuld war Little Richards „Tutti Frutti“, die erste Schallplatte, die Bowie, der damals noch David Robert Jones heißt, im Alter von neun Jahren von seinem Vater geschenkt bekommt. Er habe aus den Rillen der Single Gott gehört, hat Bowie später erzählt. Sein Bruder Terry nahm ihn nun zu Konzerten mit, er begann, Saxophon zu üben, war sich lange unsicher, ob er Rockstar oder lieber ein Jazzer wie John Coltrane werden wollte. Und stieg mit 15 schließlich doch als Sänger bei der Band Kon-Rads ein.

Ohne Erfolg. Die einzige Platte ging unter wie ein Stein. Bowie tingelte durch die 60er, er wechselte das Image, die Musik, die Freunde und den Namen. Und mit den Alben „Space Oddity“ und „The Man Who Sold the World“ gelangen ihm erste kommerzielle Erfolge.

Die großen Jahre des David Bowie

Für den Mittzwanziger kein Signal, seinem Stil treuzubleiben. Sondern eine Aufforderung, ihn beständig abzuwandeln. Bowie schreibt mit „The Rise and Fall of Ziggy Stardust“ ein Album über sich selbst, den Rockstar, dessen Botschaft von Liebe und Frieden in einem „Rock 'n' Roll Suicide“ (Liedtitel) verglüht. Ein Doku-Drama.

Es sind die großen Jahre des David Bowie. Was der „Starman“ (Liedtitel) beginnt, ist mit Sternenstaub gepudert. Alles wird ein Hit. Wie Bowie sich kleidet, setzt Trends. Bowie ist daheim ein Superstar. In den USA wird er bewundert. In Deutschland bestaunt. Bowie entdeckt sein Schauspieltalent, er spielt in „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ zur Musik des DDR-Komponisten Günther Fischer und den Andy Warhol in Julian Schnabels „Basquiat“. Bowie ist clever, er ist reich und er gestattet es sich in den 90ern, seine Musik abseits aller Erwartungen zu produzieren. Die Abstände zwischen den Platten werden länger, die Hallen kleiner, die Besuche in den Charts kürzer. Seine „Outside“-Tour führt Bowie im Sommer 1996 nach Halle - ein Besuch in der Pop-Provinz, der fast daran scheitert, dass Bowies Boxen nicht unter das Dach der Freilichtbühne passen.

Der Mann auf der Bühne, begleitet von Iggy Pop, seinem Freund aus Berliner Tagen, ist dann nur umso netter zu den 5 000 Fans, die ihn im Karrieretal feiern. Freundlich entschuldigt er sich dafür, dass er nicht seine größten Hits im alten Gewand spiele. „Da würde ich jeden Abend zugrunde gehen.“ Stattdessen liefert Bowie mit frisch rotgefärbtem Haar abgewandelte Versionen. Und neue Songs voll ekstatischen elektrischem Geplucker.

Auf Ballhöhe bleiben, vor den Trends segeln, das ist dem seit 1992 in zweiter Ehe mit dem Ex-Model Iman Abdulmajid verheirateten Vater von Sohn Duncan Zowie und Tochter Alexandria Zarah wichtiger als rauschender Applaus. Bowie inszeniert sich im Abenddämmer seiner Karriere als große Rätselfigur, die über Jahre schweigt, zwischendurch mit alten Freuden wie Lou Reed kollaboriert, um dann wieder junge Bands wie Arcade Fire oder TV on the Radio mit Gastbeiträgen zu unterstützen.

Sein letztes Schweigen bricht er 48 Stunden vor sein Tod. „Blackstar“, korrekt „★“ geschrieben, ist das 26. Album einer Karriere, die sechs Jahrzehnte umspannt. Sieben lange Stücke lang, ist das Werk einmal mehr mehr Kunstwerk als Versuch, neue Pophits Marke „Lets dance“ zu produzieren. David Bowie klingt wie ein todesschwacher Engel, der zu Geigen und Triphop-Beats Orakelhaftes zum Besten gibt. „Nimm deinen Pass und deine Schuhe, vergiss deine Pillen nicht“, empfiehlt er, ehe die Musik aus dem Atonalen in den klassischen Bowie-Sound abbiegt und mitteilt, dass er ein „Blackstar“ sei, kein „Gangstar“, was wohl ein Wortspiel sein soll.

Der Rhythmus ist meist Ballade, zuweilen Rock, Bowie hat in den Märchenerzählermodus umgeschaltet, während der Saxofonist Donny McCaslin, neben Produzent Tony Visconti und Drummer Mark Guiliana Hauptbegleiter Bowies unterm dunklen Stern, bläst, ohne Luft zu holen. In „Lazarus“, dem Stück, das noch am ehesten an den klassischen Bowie-Sound erinnert, blickt er zurück auf die Welt, die er hinter sich gelassen hat: „Schau hoch, ich bin im Himmel“, singt er, „wie ein Vogel so frei“. (mz)