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AfD-Kundgebung in Merseburg AfD-Kundgebung in Merseburg: Thüringer AfD-Chef Höcke spart sich Provokationen

Von Alexander Schierholz 12.01.2016, 06:14
Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke spricht in Merseburg.
Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke spricht in Merseburg. Peter Wölk Lizenz

Merseburg - Das Volk, oder diejenigen, die sich dafür halten, umfasst an diesem Abend rund 450 Menschen; Rentner in Funktionsjacken, junge Neonazis in schwarzer Kluft, auch Mittelschicht - die sich offensichtlich nicht daran stört, dass sie mit Rechtsextremisten Seite an Seite marschiert. Sie brüllen „Lügenpresse“, „Volksverräter“, „Merkel muss weg“, das ganze Programm. Die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) hat nach Merseburg gerufen, und ihre Anhänger sind gekommen, um den Mann zu hören, der selbst in seiner eigenen Partei immer wieder aneckt: Björn Höcke, Fraktions- und Landeschef in Thüringen.

Der Mann mithin, dem seine krude Theorie über angeblich verschiedene menschliche Fortpflanzungstypen in Afrika und Europa erst vor kurzem ein Ermittlungsverfahren eingetragen hat. Der Mann, der bei „Günter Jauch“ im vergangenen Herbst mit Deutschland-Fahne am Tischchen provozierte.

Doch an diesem Abend in Merseburg: nichts davon. Keine Provokation, keine Grenzüberschreitung. In zwei Monaten will die AfD in Sachsen-Anhalt in den Landtag einziehen, Skandale kann sie nicht gebrauchen. Routiniert spult Höcke sein Programm ab, schrill, alarmistisch, wenn er „die Zukunft unseres Landes bedroht“ sieht durch „illegale Einwanderung historisches Ausmaßes“, wenn er Kanzlerin Merkel die Schuld gibt am „Fanal von Köln“ und beklagt, das „deutsche Volk ist kein Souverän mehr im eigenen Haus“. Höcke gibt den Einpeitscher, immer wieder wird seine Rede von tosendem Applaus unterbrochen.

Gegen den AfD-Aufmarsch protestieren rund 120 Menschen. Einige von ihnen, die ganz in der Nähe stehen, beschimpft Höcke als „dümmlich“. Zwischenfälle halten sich nach Angaben der Polizei in Grenzen. Ein Journalist wird während der AfD-Demo mehrfach angepöbelt, Demonstranten halten seine Kamera zu. Ein weiterer Demo-Beobachter wird geschubst und zu Fall gebracht.

Der Thüringer Höcke ist immer wieder Gast in Sachsen-Anhalt. Erst im November sprach er im „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda (Saalekreis), einer Art Denkfabrik der neuen Rechten. Dort wandte er sich gegen den weiteren Zuzug von Flüchtlingen und verbreitete folgende Weltsicht: Der „lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp“ treffe auf den „selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp“. Der „Bevölkerungsüberschuss“ in Afrika betrage etwa 30 Millionen Menschen im Jahr. Höckes Fazit: „Solange wir bereit sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen, wird sich am Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern.“ Die Staatsanwaltschaft Halle bestätigte gestern, dass gegen Höcke wegen Volksverhetzung ermittelt wird. (mz)