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Reizgas und Schreckschusspistolen Reizgas und Schreckschusspistolen: Die Deutschen rüsten auf

Von Thomas Kröter 15.01.2016, 20:53

Berlin - Die anhaltende Flüchtlingskrise und die Terroranschläge in Paris und Istanbul verunsichern die Deutschen immer mehr. Das führt offenbar auch zu einem größeren Bedürfnis nach Selbstschutz und individuelle Bewaffnung. Die Nachfrage nach Schreckschusspistolen, Reizgas und anderen Abwehrmitteln habe sich im vorigen Jahr „mindestens verdoppelt“, sagte der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler Ingo Meinhard, dieser Zeitung.

Um genauen Aufschluss zu bekommen, hat die Organisationen eine Studie bei der Gesellschaft für Konsumforschung in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse Anfang Februar vorliegen sollen. Nach Einzelbeobachtungen in verschiedenen Städten ist der Umsatz nach den Ereignissen in der Kölner Silvesternacht noch einmal sprunghaft angestiegen. Besonders groß ist die Zahl der Frauen, die sich schützen wollen. Genaue Zahlen gibt es bisher auch deshalb nicht, weil alle möglichen Formen von Reizgas frei in Ladengeschäften und im Internet erhältlich sind. In Baumärkten werden sie zum Teil neben den Kassen angeboten.

Immer mehr „Kleine Waffenscheine“ beantragt

Immer mehr Menschen beantragen bundesweit eine „Kleinen Waffenschein“. Nach einer Prüfung durch die Polizei berechtigt er zum Erwerb einer Schreckschusspistole. Allein in Köln wurden in den Tagen seit Silvester rund 300 Anträge gestellt. Im ganzen Jahr 2015 wurden in der Domstadt 408 solche Erlaubnisse erteilt. Weil es zu Jahresbeginn außerdem eine Fülle von Anfragen über das Dokument gab, stellte die Kölner Polizei einen Hinweis auf ihre Facebook-Seite.

In Berlin wurden im Dezember 2015 bei der Waffenbehörde der Polizei 137 Anträge gestellt. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 38 Anträge. Im November waren es 152 gegenüber 41 Anträge. Zur Zahl der Genehmigungen äußerte sich die Polizei nicht.

Experten warnen vor Eskalationspotenzial

„Eine persönliche Aufrüstung birgt hohes Eskalationspotenzial“, warnt auch Katrin Streich vom Darmstädter Institut für Psychologie und Bedrohungsmanagement. Besser als solche Gegenwehr sei es, zu fliehen oder Passanten anzusprechen.

Ähnlich argumentiert Ingo Meinhard vom Verband der Waffenfachhändler mit Sitz in Marburg. Die „freien Abwehrmittel“ dürften auf keinen Fall „proaktiv eingesetzt werden“, sondern allenfalls, um den eigenen Rückzug zu ermöglichen. Nach den Erfahrungen seiner Mitgliedsgeschäfte werden vor allem Flaschen mit Reizgas gekauft, aber nicht eingesetzt. „Sie dienen vor allem der Verbesserung des persönlichen Sicherheitsgefühls“. Manche Kunden brächten die Packungen nach drei Jahren wenn das Verfallsdatum abgelaufen sei, zurück und kauften neue.

Für wesentlich wirksamer hält Meinhard tragbare Alarmanlagen und blendende Mini-Taschenlampen mit Stroboskop – nicht nur weil sei Angreifer orientierungslos machten. Weil sie aus dem Polizeigebrauch entwickelt seien, „kennen die Beamten die Geräusche und reagieren schnell“. Und dann kommt ein Lob für die strengen deutschen Waffengesetze. „Jeder weiß, wie scharf die Abgabe und Haltung von Schusswaffen kontrolliert wird“, sagt Meinhard. „Deshalb ist die Nachfrage nach scharfen Waffen auch in diesen Zeiten nicht gestiegen.“