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Sexuelle Übergriffe am Kölner Hauptbahnhof Sexuelle Übergriffe am Kölner Hauptbahnhof: Polizei verheimlichte offenbar Herkunft von Verdächtigen

Von Detlef Schmalenberg 07.01.2016, 16:58

Köln - Der Druck auf den Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers nimmt weiter zu. Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ war der Kölner Polizeiführung schon früh in der Silvesternacht klar, dass es sich bei vielen der 1000 teilweise kriminellen jungen Männern vor dem Hauptbahnhof auch um Männer aus Syrien, dem Irak und Afghanistan handelte, die erst seit kurzem in Deutschland leben. Bis heute will die Behörde das allerdings nicht offiziell bestätigen, spricht allgemein von „Nordafrikanern“ und „Menschen aus dem arabischen Raum“. Gewerkschafter halten es für möglich, dass „politische Gründe“ das Motiv für diese öffentliche Zurückhaltung sind.

Beamte hatten in jener Nacht rund um den Dom die Personalien von fast hundert Personen aus der Gruppe kontrolliert, weil diese Männer sich auffällig verhalten hatten. Anhaltspunkte für eine Festnahme hatte es in keinem der Fälle gegeben. Bei den „durchgeführten Personalienfeststellungen“ konnte sich der „überwiegende Teil der Personen lediglich mit einem Registrierungsbeleg als Asylsuchender“ des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ausweisen, heißt es in einem internen Polizeibericht vom 2. Januar. Ob und falls ja, wie viele dieser 100 Kontrollierten womöglich auch sexuelle Übergriffe und Raubstraftaten begangen haben, ist noch unklar.

Noch in der ersten polizeiinternen Abschlussmeldung des Einsatzes am frühen Neujahrsmorgen, dem so genannten WE-Bericht („Wichtiges Ereignis“), soll der verantwortliche Dienstgruppenleiter der Polizei die Herkunft der kontrollierten Männer nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bewusst verschwiegen haben – obwohl unter anderem auch der Einsatzleiter des Silvestereinsatzes darauf gedrängt haben soll, die Herkunft in dem Dokument zu nennen. Aber mit der sinngemäßen Begründung, dies sei „politisch heikel“, soll der Dienstgruppenleiter darauf verzichtet haben. Die WE-Meldung wurde am Neujahrsmorgen unter anderem auch Polizeipräsident Albers vorgelegt.

Auf Anfrage wollte die Polizei diesen Vorgang weder bestätigen noch dementieren. Details zu konkreten Einsatzabläufen werde man nur in dem Bericht nennen, den die Behörde jetzt auf Anforderung von Innenminister Ralf Jäger (SPD) verfassen muss. Jäger will den Bericht am Montag dem Innenausschuss des Landtags präsentieren.

Falschmeldungen statt Aufklärung, Halbwahrheiten statt Klartext: Polizeipräsident Albers könnte dieses Vorgehen schon bald den Job kosten. „Ich frage mich: Wie konnte die Polizei in Köln am 1. Januar eine Meldung rausgeben, dass die Silvesternacht friedlich verlaufen ist?“, so Ernst Walter, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „All diese erschreckenden Vorfälle“ seien doch in der Nacht schon bekannt gewesen.

„Unsere Kollegen von der Bundespolizei haben das ja hautnah mitbekommen, sind selbst angegriffen worden, haben sich Sorgen gemacht, dass Menschen noch zu Tode kommen könnten und haben die weinenden und verzweifelten Frauen in Empfang genommen, die von sexuellen Übergriffen außerhalb des Bahnhofs berichteten“, so Walter. Jetzt müsse „dringend aufgeklärt“ werden, warum die Kölner Polizei dies nicht sofort veröffentlicht hat. „Ob da irgendwo ein Bruch in die Informationskette war, oder ob da jemand versucht hat, Fakten hinter dem Berg zu halten, weil es sich bei den Tätern offensichtlich um Migranten gehandelt hat und man dies aus politischen Gründen nicht feststellen wollte.“

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Brisante Einsatzdokumente der Polizei

Auch wenn die WE-Abschlussmeldung die Herkunft der Täter dem Vernehmen nach nicht nennt: Es gibt andere Einsatzdokumente aus der Nacht, die das sehr wohl tun – und die den Beweis liefern, dass die Polizei früh wusste, mit wem sie es zu tun hatte. Schon gegen 21 Uhr hätten sich „etwa 400 Flüchtlinge“ vor dem Bahnhof aufgehalten, die „erheblich alkoholisiert unter massiver Verwendung von Feuerwerkskörpern feiern“, heißt es in einem Einsatzbericht eines Hundertschaftsführers, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

Und weiter: Kurz vor 23 Uhr hätten Beamte im Bereich Roncalliplatz/Domplatte/Bahnhof „mehrere tausend Personen mit Migrationshintergrund, vermutlich mit Flüchtlingsbezug“ festgestellt. Von „schwierigen Einsatzsituationen“ ist da die Rede, die jungen Männer hätten sich „völlig unbeeindruckt“ von polizeilichen Ansprachen gegeben und weiter an ihren „gefährlichen Verhaltensweisen“ festgehalten.

Der Platz vor dem Hauptbahnhof hätte deshalb „in erheblichem Umfang“ nur mit „körperlicher Gewalt (Wegschieben/ -schubsen)“ geräumt werden können. In einem anderen Einsatzprotokoll der Bundespolizei ist die Aussage eines Mannes zitiert, der bei seiner Kontrolle zu den Beamten gesagt haben soll: „Ich bin Syrer, ihr müsst mich freundlich behandeln. Frau Merkel hat mich eingeladen.“ Zudem seien im Laufe der Nacht immer wieder Zeugen bedroht worden, die einen Straftäter benannt hatten.

„Abschirmung“ als Teil des Plans

Ausgewertete Videos und Berichte verdeckter Fahnder zeichnen mittlerweile das Bild von Raubüberfällen, die der organisierten Kriminalität zuzuordnen sind. Nach Informationen des Magazins Focus sollen die meist in Trainingskleidung auftretenden Männer, die sich für ihre Diebstähle und sexuellen Übergriffe am Haupteingang zum Bahnhof postiert hatten, im Gegensatz zu ihren Landsleuten nüchtern gewirkt haben. Die 150 bis 200 Personen starke „Sportler-Gruppe“, wie sie polizeiintern genannt werde, habe die Zugänge verengt, die Frauen nutzen mussten, die in den Bahnhof flüchten wollten.

Diese Gassen wurde offensichtlich von anderen Nordafrikanern und Arabern so abgeschirmt, dass Angehörige der Opfer und auch Polizeibeamte nicht mehr eingreifen konnten. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat diese „Abschirmung“ sogar funktioniert, als eine verdeckte Ermittlerin in diesen Strudel geriet. Obwohl sie mehrfach „unsittlich angefasst“ und mehrfach versucht wurde, ihre Handtasche zu stehlen, hätten ihre uniformierten Kollegen nicht einschreiten können, heißt es in einem Behördenpapier.

Aus Sicht der Bundespolizei sei das „Riesenproblem“ an dem Abend vor allem gewesen, dass es „keinerlei personelle Reserven mehr gibt“, so GdP-Sprecher Ernst Walter. „Beispielsweise die mobile Kontroll- und Überwachungseinheit der Direktion St. Augustin, die für derartige Ereignisse in Bereitschaft gehalten werde, sei „komplett an der deutsch-österreichischen Grenze für die Flüchtlingsarbeit im Einsatz“.

Bundesweit fehlten dadurch mehr als 2000 Beamte, weswegen 34 Bahnpolizeireviere nur noch sporadisch besetzt seien. „Was Silvester in Köln passiert ist, könnte demnächst auch in Düsseldorf oder Dortmund geschehen, ohne dass wir Zusatz- Kräfte einsetzen könnten“, so Walter.