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Bundesregierung plant Pflegeberufegesetz  Bundesregierung plant Pflegeberufegesetz : Das müssen Sie zur geplanten Pflegereform wissen

Von Timot Szent-Ivanyi 10.01.2016, 09:43
Die Zahl der offenen Stellen in der Altenpflege wird immer größer.
Die Zahl der offenen Stellen in der Altenpflege wird immer größer. dpa Lizenz

Über Reformen in den Bereichen Gesundheit und Pflege wird stets heftig gestritten, schließlich geht es bei diesen Themen um sensible Fragen, die jeden angehen, und um viel Geld. Selten kämpfen die Kontrahenten aber mit so gegensätzlichen Argumenten wie bei dem Vorhaben, das die Bundesregierung am Mittwoch auf den Weg bringen will: Das Pflegeberufegesetz. Was zunächst nicht sonderlich spannend klingt, wird tatsächlich mit darüber entscheiden, ob alte Menschen künftig noch angemessen versorgt werden können. Die wichtigsten Fragen zu dem Vorhaben.

Was plant die große Koalition konkret?

Heute gibt es Altenpfleger für die Betreuung von Pflegebedürftigen sowie Krankenpfleger für die Versorgung kranker Menschen. Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege sind drei verschiedene Berufe mit jeweils eigenständiger Ausbildung. Die Regierung will die Pflegeberufe zusammen führen und dazu die Ausbildung vereinheitlichen. Die neue, gemeinsame Ausbildung wird drei Jahre dauern, die Berufsbezeichnung lautet dann: „Pflegefachfrau“ beziehungsweise „Pflegefachmann“. Die Berufsausbildung kann durch ein neues Pflegestudium an einer Hochschule ergänzt werden, das mindestens weitere drei Jahre dauern soll. Im Zuge der Vereinheitlichung wird auch die Finanzierung der Ausbildung reformiert: Während derzeit die Azubis in einigen Bundesländern noch Schulgeld bezahlen müssen, wird die neue Berufsausbildung generell kostenfrei sein.

Was ist das Ziel der Reform?

Bis 2030 wird die Zahl der Pflegebedürftigen um die Hälfte auf knapp 3,5 Millionen Menschen steigen, 2050 werden es bereits 4,5 Millionen sein. Schon heute herrscht in der Altenpflege akuter Fachkräftemangel. Etwa 30 000 Stellen sind unbesetzt. Bis 2030 werden nach Schätzungen sogar bis zu 300 000 Pflegekräfte fehlen. Auch in der Krankenpflege wird Personal gesucht, der Mangel ist aber nicht ganz so groß. Zudem wächst hier der Bedarf in den kommenden Jahrzehnten weniger stark als in der Altenpflege. Von der Reform erhoffen sich die Befürworter eine Erhöhung der Attraktivität des Berufs, weil künftig ein Wechsel zwischen Alten- und Krankenpflege möglich sein wird.

Wie sieht der Arbeitsmarkt in der Pflege aktuell aus?

Derzeit sind insgesamt etwa eine Million Menschen in der Alten- und Krankenpflege beschäftigt. Das sind rund 60 Prozent mehr als 1999. In ambulanten Diensten und stationären Pflegeeinrichtungen arbeiten etwa 375.000 Pflegefachkräfte, in Kliniken rund 350.000 Kranken- und Kinderkrankenpfleger. Im Schuljahr 2013/2014 absolvierten insgesamt 133.000 Auszubildende eine der drei derzeitigen Pflegeausbildungen. Etwas mehr als die Hälfte der Azubis lernte den Beruf des Altenpflegers.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was für und gegen eine einheitliche Ausbildung spricht, was von den Argumenten zu halten ist und welche Maßnahmen noch nötig sind.

Was spricht für eine einheitliche Ausbildung?

Durch die Alterung der Gesellschaft verschwimmen die Grenzen zwischen den Berufen. „Heute haben sie es im Krankenhaus immer stärker mit pflegebedürftigen Menschen und in der Pflege mit oftmals schwerkranken Menschen zu tun“, sagt der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU). Krankenpfleger sind beispielsweise oft unerfahren im Umgang mit Demenzkranken. Umgekehrt benötigen Altenpfleger heute ein größeres medizinisches Wissen. Klare Befürworter der Reform sind insbesondere Verbände aus der Krankenpflege. Politisch vorangetrieben wurde das Vorhaben insbesondere von der SPD.

Wie argumentieren die Gegner der Reform?

Die Kritiker kommen überwiegend aus dem Bereich der Altenpflege, so etwa der Berufsverband für Altenpflege oder der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA). Auch Teile der Union haben Vorbehalte. Sie haben die Sorge, dass die Koalitionspläne den Fachkräftemangel in der Altenpflege sogar noch verstärken. Die Annahme: Durch die gemeinsame Ausbildung wechseln am Ende mehr Azubis in die Krankenpflege, weil diese auf junge Leute möglicherweise attraktiver wirke. Zweiter Grund: Heute ist das Niveau der Altenpflegeausbildung niedriger als das der Krankenpflege, wo 70 Prozent der Azubis Abitur haben. Bei den Altenpflegern beträgt die Rate nur 30 Prozent. Da durch die Zusammenlegung die Anforderungen steigen, könnte das Hauptschüler abschrecken, die eigentlich in der Altenpflege gut aufgehoben wären. Möglich wäre auch, dass einige die Ausbildung dann gar nicht mehr schaffen.

Was ist von den jeweiligen Argumenten zu halten?

Der Streit ist eher eine Glaubensfrage. Verlässliche Studien fehlen. Es gibt allerdings ein Gutachten im Auftrag des Bundesbildungsministeriums, nach dem in fast allen Ländern mit einer generalistischen Ausbildung dennoch Fachkräftemangel in der Altenpflege herrscht. Ein Allheilmittel ist die geplante Reform also nicht. Unbestritten ist gleichwohl, dass sich Alten- und Krankenpflege in vielen Aspekten inhaltlich annähern. Unstrittig ist auch, dass der Beruf des Altenpflegers aufgewertet werden muss, um mehr junge Leute dafür zu gewinnen. Es macht daher Sinn, ihm durch die Zusammenlegung mit der Krankenpflege mehr Glanz zu verschaffen. Das Argument, die Krankenpflege könne auf junge Leute eine gewisse Sogwirkung haben, ist aber nicht von der Hand zu weisen. Vorstellbar ist allerdings auch, dass sich Pfleger nach hektischen Jahren im Krankenhaus einen Wechsel in die Altenpflege wünschen. Die neue Durchlässigkeit muss also keine Einbahnstraße sein.

Was ist noch nötig, um die Altenpflege attraktiver zu machen?

Eine bessere Bezahlung: Altenpfleger verdienen nach einer Studie im Auftrag des Pflegebeauftragten Laumann bis zu 30 Prozent weniger als Krankenpfleger. Das zu ändern ist allerdings nicht Sache der Politik, sondern der Tarifpartner. Angesichts des Personalmangels haben die Beschäftigten eigentlich eine gewisse Macht. Doch nach Schätzungen sind lediglich 15 Prozent der Mitarbeiter in der Altenpflege in einer Gewerkschaft organisiert.