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Unesco Welterbe-Bewerbung der Franckesche Stiftungen Unesco Welterbe-Bewerbung der Franckesche Stiftungen: Rückzug soll Schaden abwenden

Von christian eger 07.01.2016, 21:15

halle (Saale) - Da waren es nur noch drei. Drei Männer, die der Presse Rede und Antwort stehen sollten. Das schien schon ein kleiner Hinweis auf das, was da Donnerstagmittag in den Franckeschen Stiftungen zu erwarten war: ein großer Rückzug in kleiner Formation.

Denn als die Franckeschen Stiftungen in Halle vor drei Jahren verkündeten, dass sie in das Rennen um den Welterbetitel gehen werden, wurde die Botschaft noch von neun regional prominenten Personen in die Welt getragen. Unter anderen Cornelia Pieper (FDP), damals Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Harald Meller, Chef des Landesdenkmalamtes, Bernd Wiegand, Oberbürgermeister von Halle, und Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD). Sie alle präsentierten sich für den Welterbetitel. „Diese Bewerbung wird erfolgreich sein!“, sagte Dorgerloh damals. Und: „Wichtig ist, dass wir die Protestantismus-Karte spielen.“

Stephan Dorgerloh war Donnerstagmittag noch einmal mit von der Partie, als in den Stiftungen die Entscheidung darüber erwartet wurde, ob die Bewerbung für die 1698 gegründete barocke Schulstadt aufrecht erhalten werden soll oder nicht, nachdem Ende November 2015 in Paris der Weltdenkmalrat Icomos die hallesche Bewerbung nicht etwa nur hart kritisiert, sondern in der Luft zerrissen hatte. Ein Votum, das in Halle für eine Schockstarre gesorgt hatte.

Die hat sich gelöst, aber von einer Erholung kann noch keine Rede sein. Neben Dorgerloh stellten sich der Direktor der Franckeschen Stiftungen, Thomas Müller-Bahlke, der Unesco-Beauftragte der Stiftungen, Holger Zaunstöck, der aber während der Sitzung kein einziges Wort sagte, und Helmut Obst, der Vorsitzende des Kuratoriums, der Presse. Das Kuratorium hatte bis zur letzten Minute getagt, um die Entscheidung zu fällen, die Helmut Obst bekannt gab: Die Stiftungen ziehen ihren Antrag zurück, um das Vorhaben, irgendwann einmal doch noch den Welterbetitel zu erringen, nicht zu gefährden. Wenn die Hallenser bei ihrem Antrag geblieben wären, hätte man riskieren müssen, dass die Unesco auf ihrer Juli-Tagung in Istanbul den Antrag ablehnt. Dann hätte keine Chance mehr bestanden, noch einmal ins Rennen zu gehen.

Möglichkeit offen halten

Dass das mit Sicherheit machbar bleiben soll, darum geht es den Stiftungen. Es sei der Vorschlag von Müller-Bahlke gewesen, sagte Obst, den Antrag zurückzuziehen, um sich alle Möglichkeiten offen zu halten. Mit dem Rückzug fallen die Stiftungen zurück auf die sogenannte Tentativliste, die Vorschlagsliste für mögliche Welterbe-Kandidaten, zu denen das hallesche Bau-Ensemble seit 1998 offiziell gehörte. Übrigens auf Initiative des 2013 gestorbenen Gründungsdirektors der Franckeschen Stiftungen, Paul Raabe. Ob und wann die Stiftungen von dieser Liste aus noch einmal an den Start gehen, steht in den Sternen, und ist auch von nationalen Entscheidungen und Gestimmtheiten abhängig.

Thomas Müller-Bahlke ist froh über den gezielten Rückzug: „Damit wird Schaden von den Franckeschen Stiftungen abgewendet.“ Nämlich der, eventuell im Juli vollends zu scheitern. Es gehe jetzt darum, sich in der Sache „mittelfristig neu aufzustellen“, auch „Partner von außerhalb“ zu finden. Er räumt aber ein, dass es sich hier um einen Zeitraum von Jahren handeln wird. Die Icomos-Kritik, die die Hallenser wie ein „Donnerschlag“ getroffen habe, sei für Müller-Bahlke bis heute nicht nachvollziehbar.

Der Denkmalrat hatte unter anderem mündlich beschieden, dass den Stiftungen „kein außergewöhnlicher universeller Wert“ zuerkannt werden könne, dass die Architektur der Anlage, worauf der hallesche Welterbeantrag vor allem abhob, nicht innovativ genug gewesen wäre, und überhaupt, dass Sozial- und Bildungsarchitektur für die Organisation keine zu füllende Lücke auf der Welterbeliste darstelle. Eine „viel zu pauschale“ Kritik, die in der Sache ins Leere laufe, meint Müller-Bahlke. „Die Argumente können wir nicht akzeptieren. Sie zeugen von einem hohen Grad an Unkenntnis. Darauf können wir inhaltlich nicht reagieren.“

Unterstützung zahlreicher politischer Partner

Das Aus für die hallesche Initiative ist nach dem im ersten Anlauf zurückgezogenen - und dieser Tage neu formulierten - Antrag der Naumburger das zweite Scheitern eines Unesco-Anlaufes 2015 in Sachsen-Anhalt. Fehlte es da eventuell an hilfreicher sachlicher Begleitung von Seiten des Landes, um solche Fehlläufe zu vermeiden? Nein, meint Stephan Dorgerloh, der auf zahlreiche politische Partner verweist. Müller-Bahlke springt ihm bei. Man habe den „bestmöglichen Input gegeben“ und immer von „allen Seiten gehört, dass man auf dem richtigen Weg“ sei. Von Icomos Deutschland, dessen Chefin die Stiftungen ja besucht hatte, habe man „starke Unterstützung“ erfahren. Icomos international sei das Problem gewesen.

Nun ist ein geordneter Rückzug gefordert. Helmut Obst lobt den wissenschaftlichen und marketing-technischen Gewinn, den die Bewerbung gebracht habe, für die allein das Land 230 000 Euro zahlte. Und die Stadt Halle mehr als 100 000 Euro. Die Werbeaktion („Wer, wenn nicht wir?“) werde man beenden, sagt Müller-Bahlke. Das Denkmal des Stiftungs-Gründers August Hermann Francke aber bleibe unangetastet, auch wenn dessen Fingerzeig als Erkennungszeichen für die Unesco-Kampagne diente. (mz)