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Wirtschaft in Mitteldeutschland Wirtschaft in Mitteldeutschland: Die Auf- und Absteiger des Jahres 2015

Von Steffen Höhne 31.12.2015, 14:54
Die Anlagen der TOTAL Erdölraffinerie am Chemiestandort Leuna
Die Anlagen der TOTAL Erdölraffinerie am Chemiestandort Leuna dpa Lizenz

Gewinner

Halle (Saale) - Sachsen-Anhalts größtes Unternehmen hat einen neuen Chef. Ein Manager wechselt vom Baumarkt zum Flughafen. Ein anderer will von Halle aus den deutschen Markt erobern. Und ein Verbandschef ist auf der Suche nach Nachwuchs für seine Betriebe.

Joachim Geisler steht am Spielrand und ob er noch einmal ins Feld darf, ist fraglich. Mitte Oktober teilte die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (Mibrag) aus Zeitz (Burgenlandkreis) überraschend mit, dass der Aufsichtsrat den Geschäftsführer „bis auf Weiteres von seinen dienstlichen Aufgaben freigestellt“ hat. Hintergrund seien staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft Bochum prüft den früheren Verkauf der Mibrag an den jetzigen tschechischen Eigentümer EPH. Mehr Details sind nicht bekannt. Die Beurlaubung von Geisler konnte für die Mibrag kaum zu einem schlechteren Zeitpunkt kommen. EPH will über die Tochter Mibrag das Braunkohlegeschäft von Vattenfall in der Lausitz kaufen. Geisler sollte dieses Geschäft an vorderster Stelle einfädeln. Doch nicht nur das: Umweltgruppen und Grüne machen sich für eine rasche Stilllegung von deutschen Kohlekraftwerken stark, um den Ausstoß des klimaschädlichen CO2 zu senken. Der Mibrag fehlt in dieser Situation eine starke Stimme, um ihre Belange öffentlich zu vertreten. Lange kann sich das Unternehmen diese Hängepartie wohl nicht mehr leisten kann. Für Geisler ist das - unabhängig vom Ergebnis der Untersuchungen - bitter. Je länger die Staatsanwaltschaft ermittelt, um so unwahrscheinlicher wird seine Rückkehr.

Dierk Näther musste am Flughafen Leipzig/Halle von Bord gehen. Im August gab das Unternehmen bekannt, dass der Vertrag des Geschäftsführers nicht mehr verlängert wird. Näther sorgte jahrelang dafür, dass bei Eis und Sturm der Verkehr am mitteldeutschen Airport reibungslos funktioniert. Auf rauen Wind in der obersten Firmenetage war er aber offenbar nicht vorbereitet. Näther wurde offenbar angelastet, dass die Passagierzahlen in Leipzig/Halle in den vergangenen Jahren stagnierten. Das konnte er aber selbst nur teilweise beeinflussen. Das übergeordnete Flughafen-Holding-Management war dafür mindestens genauso verantwortlich. Nun wurde die Führung in der gesamten Flughafen-Gruppe neu geordnet, für Näther war da kein Stuhl mehr frei.

Peter Ploss dürfte die Entscheidung schwer gefallen sein: Ende Juni beantragte der Geschäftsführer und Inhaber von Annaburg Porzellan die Insolvenz für sein Unternehmen. Damit ist auch der letzte Porzellan-Hersteller in Sachsen-Anhalt verschwunden. Ploss hatte die Traditionsfirma nach der Wende übernommen und modernisiert. Aus Annaburg (Landkreis Wittenberg) kam unter anderem das Geschirr für die Aida-Kreuzfahrtschiffe und das Kaffeeservice der Landesregierung. Doch der Mittelständler hatte es schwer, sich gegen die asiatische Konkurrenz zu behaupten. Ploss’ berufliches Lebenswerk wird nun abgewickelt.foto: Grommisch

Rüdiger Probst kann vorerst keine Tiger mehr dressieren. Der Mitgesellschafter des gleichnamigen Zirkus Probst musste in diesem Jahr erstmals die Tournee absagen. Der renommierteste Zirkus Ostdeutschlands begründete dies mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Die Kosten für 70 Mitarbeiter, die oft zwölf Stunden und mehr am Tag arbeiten, sind nicht mehr zu erwirtschaften. Um überhaupt weiter zu bestehen, ist ein Teil des Zirkus in diesem Jahr durch Grundschulen getingelt. Projekt-Zirkus wird dies genannt. Viele der Tiere bleiben vorerst im Winterquartier in Staßfurt bei Magdeburg. Weitere Zukunft ungewiss.

Manfred Kübler war mehr als 20 Jahre lang Teil der mitteldeutschen Finanz-Szene.Im August kündigte der Aufsichtsrat der Volksbank Halle aber dem Vorstandschef außerordentlich. Hintergrund ist eine Untreue-Affäre, die im Mai erstmals öffentlich wurde. Dabei geht es um den Verdacht falscher Spesenabrechnungen, eine viel zu hohe Vergütung und ungesicherte Kredite in Höhe von 1,3 Millionen Euro. Inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft. Ausgetauscht wurden mittlerweile auch einige Aufsichtsräte, die die Volksbank-Spitze kontrollieren sollten. Was genau passiert ist, werden die Ermittlungen zeigen.

Verlierer

Eine Staatsanwaltschaft gräbt in der Vergangenheit eines Bergbau-Managers. Ein Banker steht im Verdacht, sich selbst ungesichert Kredit gewährt zu haben und ein Firmenchef muss sein berufliches Lebenswerk abwickeln lassen.

Willi Frantz ist in diesem Jahr Chef des größten Unternehmens in Sachsen-Anhalt geworden. Zumindest vom Umsatz her (knapp sieben Milliarden Euro 2014) hängt die Total Raffinerie in Leuna (Saalekreis) alle anderen Firmen ab. Der Motorrad-Fan hat sich auch einiges vorgenommen: Die Raffinerie soll künftig mehr chemische Grundstoffe produzieren, denn der Benzinabsatz geht in Deutschland zurück. Dazu soll in den kommenden Jahren auch investiert werden. Mehrere Raffinerien in Europa mussten bereits schließen, weitere sind gefährdet. Leuna droht dieses Schicksal nicht, ist Frantz überzeugt. Schließlich zähle die Anlage zu den modernsten in Europa. Sie versorgt rund 1.300 Tankstellen in Mitteldeutschland mit Kraftstoff. Das Rohöl bekommt der Standort über eine Pipeline aus Russland geliefert. Frantz ist seit 1999 bei Total tätig. Sein Vorgänger in Leuna, Reinhard Kroll, holte ihn ins Unternehmen. In den vergangenen Jahren war Frantz auch bei anderen Raffinerien des Konzerns - beispielsweise in Rom (Italien), Lyon (Frankreich) oder Vlissingen (Niederlande) - tätig. Zuletzt arbeitete er als Technischer Direktor in Leuna. Der Manager ist noch keine 50 Jahre alt - er steht für einen Generationswechsel. Führt Frantz die mitteldeutsche Raffinerie erfolgreich, sind weitere Karriereschritte möglich.

Johannes Jähn hat eine nicht ganz einfache Aufgabe vor sich. Der Freistaat Sachsen und Sachsen-Anhalt wollen, dass mehr Passagierjets in Leipzig/Halle und Dresden starten und landen, anstatt nach Berlin weiterzufliegen. Seit Jahren stagniert das Aufkommen an den mitteldeutschen Airports. Im Juni erklärte der Aufsichtsrat Jähn zum neuen Chef der Flughafen-Holding. Über Jähn ist bisher nicht viel bekannt. Er stammt aus Halle und leitete zuletzt bei der Baumarktkette Obi die Logistik. Öffentlich ist er noch ein Phantom, innerhalb der Flughafengesellschaft lässt er aber schon fleißig umstrukturieren. Einige Führungskräfte mussten gehen. (siehe Absteiger: Dierk Näther). Wohin die Reise geht, dass wird man wohl erst in einiger Zeit sehen.

Tobias Hartmann ist Chef von Ebay Enterprise. Die zum US-Online-Händler gehörende Firma agiert international. Dennoch war die Eröffnung des neuen Standortes in Halle im November etwas Besonderes. Erstmals ließ Ebay in Deutschland ein Verteilzentrum errichten. Durch das Lager sollen Waren von Kunden, die auf der Plattform Handel treiben, schneller verschickt werden. 300 Jobs hat Ebay in Halle geschaffen. Für den Standort an der A 14 sprach vor allem die verkehrsgünstige Lage. Hartmann rechnet damit, dass der Onlinehandel über Ebay weiter deutlich zulegt. Damit könnte auch das hiesige Logistikzentrum weiter wachsen.

Jochen Wiechen führt seit einigen Wochen das Software-Unternehmen Intershop. Die Firma aus Jena war einst der ostdeutsche Star am Start-up-Himmel. Intershop ist spezialisiert auf die Programmierung von sogenannten E-Commerce-Plattformen, über die Unternehmen im Internet Handel treiben können. Zu den Kunden zählt etwa der Otto-Versand. Doch vom boomenden Online-Handel konnte Intershop in den vergangenen Jahren nur mäßig profitieren. Das Unternehmen schreibt rote Zahlen. Viele Branchenbeobachter sahen den Star nur noch als Sternschnuppe. Wiechen will das Gegenteil beweisen. Dafür muss er Gewinne liefern.

Dirk Neumann wird Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Halle. Der 50-Jährige tritt im März 2016 die Nachfolge Jürgen Rogahn an. Der gebürtige Ascherslebener ist Jurist, hat vor seinem Studium aber auch eine Lehre als Gas-Wasser-Installateur absolviert. Seit 1990 arbeitet er - mit Unterbrechungen - bei der Kammer. Man kann ihn als erfahrenen Interessenvertreter bezeichnen. Als eine seiner wichtigsten Aufgaben bezeichnet er die Nachwuchs- und Fachkräftesicherung. Die Auftragsbücher vieler Handwerker sind derzeit voll. Doch es fehlt - nicht selten - an qualifizierten Personal, um die Aufträge gut abzuarbeiten.