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Flüchtlinge dürfen in Griebo bleiben Flüchtlinge dürfen in Griebo bleiben: Entscheidung drei Minuten vor Zwölf

Von Alexander Baumbach 13.12.2015, 09:35
In zähen Verhandlungen mit dem Vize-Landrat Dr. Jörg Hartmann (CDU) stellen die Flüchtlinge den kurzfristigen, auf wenige Wochen beschränkten Umzug in Frage.
In zähen Verhandlungen mit dem Vize-Landrat Dr. Jörg Hartmann (CDU) stellen die Flüchtlinge den kurzfristigen, auf wenige Wochen beschränkten Umzug in Frage. Alexander Baumbach Lizenz

Griebo - Das Vertrauen ist weg in Griebo. Seit zehn Uhr stehen die Busse am Sonntag bereit, um die Flüchtlinge aus der dortigen Notunterkunft nach Kretzschau bei Zeitz zu bringen. Keiner steigt ein. Vize-Landrat Jörg Hartmann (CDU) steht vor den Männern und versucht zu verhandeln. Europa-Abgeordneter Arne Lietz (SPD) übersetzt ihn ins Englische, der Flüchtling Mervan Hagi weiter ins Arabische. Die Männer wollen eine Garantie, nach den Feiertagen zurück nach Wittenberg und in Wohnungen zu kommen. Hartmann geht ein paar Schritte weg, telefoniert mit dem Innenministerium. Der Umzug wird buchstäblich drei Minuten vor Zwölf gestoppt. „Wer nach Kretzschau fahren möchte, kann fahren. Wer in der Halle bleiben möchte, der kann bleiben“, lässt er übersetzen. Der Jubel ist groß bei Flüchtlingen und ehrenamtlichen Helfern. Die drei Busse setzen sich leer in Bewegung.

Zwei Stunden Diskussionen

Zwei Stunden zuvor hatte Hartmann noch verkündet, dass alle Flüchtlinge, die am Wochenende nach Naumburg und Zeitz umziehen, im neuen Jahr wieder zurück in den Landkreis Wittenberg und dort in Wohnungen kommen. „Das passiert in den ersten Wochen des Januars, sobald die Wohnungen in Holzdorf und Wittenberg bezogen werden können“, erklärt er.

Reinhard Rauschning (SPD) atmet da schon sichtlich auf. „Wahrscheinlich haben sie doch überlegt. Die Lösung begrüße ich natürlich, dann ist das nicht abrupt abgeschnitten, was hier an Integration begonnen wurde. Wir hoffen, dass das kein leeres Versprechen ist“, erklärte der Kreistagsfraktionsvorsitzende.

Viele der Syrer und Ehrenamtlichen trauen dem nämlich nicht - so dass zwei Stunden lang unter anderem über eine Rückkehr-Garantie verhandelt wird. „Viele von uns haben in den nächsten Wochen ihren Interview-Termin. Wenn der absolviert ist, haben wir einen Aufenthaltsstatus und können überall hingehen. Warum sollen wir dann also jetzt noch umziehen“, erklärt Mervan Hagi, der für die Flüchtlinge ins Arabische übersetzt.

Die 122 Flüchtlinge aus der Holzdorfer Mehrzweckhalle, die am Samstagmorgen buchstäblich über Nacht umziehen mussten, reisten indes reibungslos nach Naumburg ab. Sie bleiben auch während ihrer Abwesenheit dem Landkreis Wittenberg zugewiesen und sollen nach Hartmanns Aussage im neuen Jahr zurückkehren, sobald Wohnungen zur Verfügung stünden. Die Entscheidung am Freitagnachmittag, innerhalb weniger Stunden umzuziehen, war auf massive Kritik im politischen Raum gestoßen.

„Die Botschaft ist klar: die Bewohner der Halle bevorzugen nicht eine bessere Unterkunft, weil die meisten hier ihre Perspektiven sehen“, fasst Arne Lietz den turbulenten Vormittag in Griebo zusammen. Gleichzeitig erhebt er Vorwürfe in Richtung Magdeburg. „Das ist eine katastrophale Informationspolitik des Landes gegenüber seinen Landkreisen am Freitagnachmittag gewesen“, erklärt er. Mareen Kelle, die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, ist auch vor Ort: „Die Leute sind glücklich, allerdings haben wir das Ziel nicht erreicht, sie aus der Halle zu bekommen. Jetzt haben wir Zeit, besonnen Lösungen zu finden.“

Tylsch kritisiert Landrat

Die Union kontert: „Es ist weder nachvollziehbar noch akzeptabel, wie in Griebo verfahren wurde. Die Kritik richtet sich in aller Deutlichkeit gegen den Landrat. Er ist im Urlaub, hält sich aber im Landkreis auf“, erklärt Christian Tylsch, Fraktionsvorsitzender der CDU im Kreistag. „Wir erwarten, dass er den sofort beendet und der Verantwortung nachkommt, die ausschließlich bei ihm liegt. Das hätte er bereits am Freitag tun müssen, nachdem er mit dem Innenministerium über die Räumung der Hallen gesprochen hatte“, sagt der Lokalpolitiker. „Wer in dieser schwierigen Lage seine Kollegen in der Kreisverwaltung und die Flüchtlinge in Griebo alleine lässt, sollte ernsthaft sein Dienstverständnis überdenken.“ (mz)

Der Jubel ist groß - die Halle bleibt geöffnet, der Umzug fällt aus
Der Jubel ist groß - die Halle bleibt geöffnet, der Umzug fällt aus
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