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Neues Theater in Halle Neues Theater in Halle: Klassentreffen auf der Bühne

Von kai agthe 05.01.2016, 09:48
Sie sind ein Teil der früheren Kommilitonen-Truppe: Elke Richter, Thomas Rühmann und Michael Kind (von rechts)
Sie sind ein Teil der früheren Kommilitonen-Truppe: Elke Richter, Thomas Rühmann und Michael Kind (von rechts) JULIA FENSKE Lizenz

Halle (saale) - Treffen sich zehn Schauspieler … Was zunächst wie der Anfang eines Theaterwitzes klingen mag, bildet den Ausgangspunkt für das von Michael Kind arrangierte Stück „Stunde der Komödianten“, das am Sonntag im Neuen Theater in Halle seine umjubelte Premiere feierte. Ehemalige Kommilitonen der Staatlichen Schauspielschule, die sich 1979 an der renommierten Ausbildungsstätte in Ost-Berlin kennenlernten, kommen nach mehr als 35 Jahren wieder zusammen, um zurückzublicken: auf ihre Bühnen- und zum Teil Fernsehkarrieren vor und nach 1989 sowie die damit verbundenen künstlerischen Erfolge und Niederlagen. Was bedeutet: Es wird spielend gelacht und geweint, geherzt und gewütet.

Dem Ganzen liegt jedoch kein fertiges Stück zu Grunde, wie Michael Kind eingangs sagte, sondern verschiedene Themen, die mittels Improvisationen gefüllt werden. In Halle kamen sie auf einer von Jens Richter mit einer langen Tafel und einem Podest sparsam ausgestatteten Bühne zum Klassentreffen zusammen, weil einer von ihnen, Matthias Brenner, dem Neuen Theater als Intendant vorsteht und mit Elke Richter und Peter W. Bachmann zwei Akteure im Ensemble hat, die einst auch in Berlin die Bühnenkunst erlernten. Das heißt, Richter wurde, wie im Lauf des fast dreistündigen Abends zu erfahren war, bald von der Berliner Schule relegiert und lernte das Schauspiel in Rostock. Sie gehört heute ebenso zum NT-Inventar wie Bachmann, der dem Haus seit 33 Jahren verbunden ist.

Das ist die Ausnahme in einer Kunstform, die ein großer Wanderzirkus ist, deren Akteure oft von Engagement zu Engagement hetzen. Da kann sich glücklich schätzen, wer einen Fuß im Fernsehen hat. Wie Thomas Rühmann, der als Arzt in der ARD-Krankenhausserie „In aller Freundschaft“ praktiziert, oder Joachim Lätsch, der in der ebenfalls im Ersten zu sehenden Serie „Sturm der Liebe“ mitwirkt.

Auch die Frage, wie man sich in dem knallharten Geschäft behaupten kann, wird thematisiert. Diese eher nachdenklichen Aspekte des Schauspieler-Daseins kamen vor allem im zweiten Teil zur Sprache, der hinter dem ersten etwas abfiel, weil vor der Pause ein mitreißendes komödiantisches Feuerwerk abgebrannt wurde, das vom Publikum zu Recht mit reichlich Szenenbeifall bedacht wurde.

Zu den Slapstick-Einlagen gehörte neben einer Rolle vorwärts, die das Theaterschwergewicht Brenner zum Preis schlechter Haltungsnoten wagte, auch Joachim Nimtz’ Solo-Performance, die er seinerzeit bei der Aufnahmeprüfung in Berlin zeigte: Die leicht gekürzte Version von „Rotkäppchen und der böse Wolf“, die Nimtz allein mit Mimik, Gestik und Lautmalereien präsentierte, war allein schon das Eintrittsgeld wert. Die Ex-Kommilitonen erinnerten sich auch an ihre ersten Engagements. Lätsch und Brenner landeten im „DDR-Theater mit dem höchsten Niveau“, freilich nur „über dem Meeresspiegel“: in Annaberg-Buchholz. Dort spielten sie sich die Seele aus dem Leib, um bald den Sprung auf eine große Bühne zu schaffen. Dass die Zeitenwende von 1989 auch für Theaterleute eine tiefe Zäsur bedeutete, bezeugen auch die anderen Mitwirkenden: Nicole Haase, Franziska Hayner und Jens-Uwe Bogadtke.

Posaunist Conny Bauer lieferte den improvisierten Soundtrack, Petra Straussóva las Zwischentexte, die, allerdings nur im ersten Teil, die Szenen strukturierten.

Alles in allem ein wunderbares, mit viel Herz und Leidenschaft gespieltes Improvisationsstück, das keiner anderen Dramaturgie als der Bühnen- und Lebenserfahrung seiner Beteiligten folgte. (mz)

Die nächsten Aufführungen: 7., 23. und 24. Januar jeweils 19.30 Uhr