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Zeitgeschichte Zeitgeschichte: US-Soldaten sollen Hunderttausende Frauen missbraucht haben

Von Steffen Könau 02.01.2016, 16:17
Hunderttausende Frauen wurden nach dem Krieg zu Opfern.
Hunderttausende Frauen wurden nach dem Krieg zu Opfern. dpa Lizenz

Halle (Saale) - Schwarz und Weiß, Russen hier, Amerikaner da, einerseits freundliche Hilfe, andererseits aber brutale Gewalt und Unterdrückung. So wurde die Geschichte der unmittelbaren Nachkriegszeit über Jahrzehnte erzählt - und so, behauptet die Historikerin Miriam Gebhardt, ist es nie gewesen.

In ihrem Buch „Als die Soldaten kamen“ (DVA, 14,99 Euro) nimmt sich die Wissenschaftlerin aus Konstanz die Sage vor, dass es massenhaften Missbrauch nur in den von sowjetischen Truppen befreiten Gebieten gegeben habe. Auch britische, französische und amerikanische Soldaten waren an mindestens 860 000 Vergewaltigungen in den Nachkriegsjahren beteiligt, direkt nach Ende der Kampfhandlungen und in den jeweiligen Besatzungszonen.

Ein Thema, das jahrelang ein Tabu gewesen sei, wie Gebhardt sagt. Im Kalten Krieg sei der marodierende Rotarmist als Argument gegen die Sowjetunion benutzt worden. Die USA hingegen galten als Schutzmacht, ihre Verfehlungen waren spätestens mit der Berlin-Blockade vergessen.

Dabei lag der einzige Unterschied Miriam Gebhardt zufolge darin, dass Zeitzeugen und Historiker deutschen Frauen unterstellten, von Verbindungen zu US-Soldaten zu profitierten, während eine Beziehung zu russischen Soldaten als erzwungen angesehen wurden. Doch obwohl das im Westen lange unterstellt wurde, gab es auch auf Seiten der Sowjetarmee keine Befehle, deutsche Frauen zu missbrauchen. Genauso wenig waren Vergewaltigungen straffrei.

Nur fand die Strafverfolgung eben unter den Bedingungen eines Besatzungsregimes statt, das über ein Land in Trümmern herrschte. Die deutschen Behörden konnten gar nichts tun, wenn ein alliierter Soldat in eine Tat involviert war. Und die Militärbehörden reagierten zwar hart, wenn Fälle eindeutig waren. Ihr Interesse und ihre Möglichkeiten, Täter zu ermitteln, blieben aber überschaubar. Gebhardt fand Todesurteile und Berichte über Haft in amerikanischen Arbeitslagern, meist aber gingen die Täter straffrei aus.

Zuweilen allerdings rächten sich Opfer oder deren Angehörige selbst. So entdeckte die Autorin mehrere Fälle von Lynchjustiz, meist gegen schwarze Soldaten, die weiße Frauen vergewaltigt hatten. Auflehnung, die selbst tödlich sein konnte, zumal im Osten. So berichten Zeitzeugen von Reideburger Bauern, die nach Übergriffen auf ihre Töchter mit Knüppeln gegen Sowjetsoldaten vorgingen. Wenig später fuhr eine Fahrzeugkolonne vor, es gab eine öffentliche Kriegsgerichtsverhandlung. Die verurteilten Bauern wurden in einem Lkw weggefahren, um nie mehr zurückzukehren.