Es sind Orte mit morbidem Charme: Schulen, Palazzi, Industriehallen, die nicht mehr genutzt werden, aber nie abgerissen wurden. Der Krefelder Sven Fennema, Jahrgang 1981, hat für seinen ersten großen Bildband „Nostalgia“ zahlreiche solcher Ruinen im Norden Italiens bereist.
„Meine Faszination für verlassene Orte entwickelte sich bereits vor langer Zeit, noch vor meinem Einstieg in die Fotografie im Jahr 2007“, schreibt der Fotograf in seinem Buch. Er habe sich früh für die alte Industriearchitektur des Ruhrgebiets interessiert: „Nicht nur die Optik der Bauwerke fesselte mich, auch ihre Vergangenheit hielt mich bereits damals gefangen.“
Die Fokussierung auf Industriebauten habe er allerdings zu eintönig gefunden. Fennema beschließt, seine Recherche nach würdigen Foto-Objekten über die deutsche Landesgrenze hinaus auszuweiten.
Die meisten Reisen führen ihn nach Italien: „Kein Land hat mich bislang hinsichtlich seiner Gebäude so begeistert. Anders, als ich es in anderen Ländern erlebt habe, sind die Menschen dort noch stolz auf ihre Bauwerke, selbst wenn diese vom Verfall gezeichnet sind.“ Viele Einheimische hätten ihm die Orte nicht nur gern gezeigt, sondern ihm auch mit großem Respekt die Geschichten, die sich einst dort abspielten, erzählt.
Diesen Geschichten möchte Fennema mit seinen Bilder Raum geben: „Bisweilen lässt sich von außen kaum vermuten, welche Schönheit und Stimmung im Inneren eines Bauwerks verborgen ist. Viele, die tagtäglich an irgendeinem dieser Orte vorbeikommen, können dort nichts Positives entdecken.“ Sie sähen nur den Verfall, nicht aber den geheimnisvollen Zauber der Bauten. Seine Fotos, hofft Fennema, sollen helfen, solche Sichtweisen zu ändern. „All diese Mauern haben viel zu berichten, man muss nur verweilen und ihnen zuhören.“ (kkl)
Eine Auswahl von Fennemas Fotografien haben wir hier zusammengestellt:
Fermare il tempo: Auf alten Postkarten kann man noch den einstigen Glanz des Grandhotel in bester Lage am Seeufer sehen. Mittlerweile durch Schäden gezeichnet, wartet es seit langer Zeit auf eine Restauration. Das marmorne Treppenhaus wurde durch Holzverkleidungen geschützt.
Cielo: Die fließenden und runden Übergänge von Wänden und Decken der Villa am Rande der Toskana wurden oft bewusst als Gestaltungsmittel eingesetzt. Sie bewirken einen himmelartigen, plastischeren Eindruck. Das zusammenhängende Wandgemälde zieht sich rund um den gesamten Raum und dessen Decke.
La sala dei segreti: Vom Balkon der kleinen, sehr hohen Halle hat man einen herrlichen Blick. Gerüchten zufolge sind unter den Wandmalereien auf der anderen Seite die Geheimnisse des Wunderheilers Cesare Mattei verborgen.
Folle: Nahezu jeder Raum trägt eine eigene Handschrift. Die hauseigene Kapelle ist der berühmten Kathedrale von Córdoba nachempfunden. In einem geschmückten Steinsarg ruhen noch heute die sterblichen Überreste des Grafen.
Favoloso: Wie ein Märchenschloss aus 1001 Nacht thront die Rocchetta über den sanften Hügeln der Emilia-Romagna. Seine ungewöhnliche Architektur lässt das Bauwerk wie einen bizarren Fremdkörper wirken. Derzeit wird es aufwendig saniert.
Rovina a forma di cuore: Fast endlos erschien die Treppe, die die beiden Etagen mit der beeindruckenden Deckenhöhe miteinander verband. Die frühere Pracht des Gebäudes in Ligurien war leider kaum mehr zu sehen. Das Innere war größtenteils entkernt und seines Interieurs beraubt.
Ingresso: Anfang des 20. Jahrhunderts eine prächtige Therme in der Toskana. Früher gehörte sie zu den schönsten und bedeutendsten Bauwerken der einst vom Tourismus geprägten toskanischen Stadt. Bislang ist keine Rettung für dieses Juwel in Sicht. (Buchcover)
Antica Cappella: Vergessen am Wegesrand – die kleine Kapelle war ein Zufallsfund auf einer Route durch die Felder im Piemont. Das warme Sonnenlicht bringt die verwitterten Farben zum Leuchten und hebt die ungewöhnlich schöne Patina hervor.