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Waffenverkauf Waffenverkauf: Menschen in Sachsen-Anhalt rüsten auf

Von Ralf Böhme 23.11.2015, 20:11
Ein Schreckschuss-Revolver liegt auf dem "kleinen Waffenschein".
Ein Schreckschuss-Revolver liegt auf dem "kleinen Waffenschein". AP Lizenz

Halle (Saale) - Bei vielen Menschen in Sachsen-Anhalt wächst das Bedürfnis nach Sicherheit. So floriert das Geschäft mit freiverkäuflichen Waffen wie beispielsweise Schreckschusspistolen. Und Waffenhändler verkaufen so viel Pfefferspray und Reizgas wie lange nicht. Auch die Nachfrage nach Elektroschockern und anderen freiverkäuflichen Waffen legt zu. Das Innenministerium des Landes wies in diesem Zusammenhang aber darauf hin, dass der private Selbstschutz kein Allheilmittel sei.

Absatz von Pfefferspray verdoppelt

Allein der Absatz von Pfefferspray habe sich in Sachsen-Anhalt zuletzt verdoppelt, teilte der Branchenverband der Waffenhändler mit. Vor allem Anbieter in Städten machen an manchen Tagen so viel Umsatz wie früher in einem ganzen Monat. Mit dieser Entwicklung sei Sachsen-Anhalt freilich keine Ausnahme. Ähnlich sehe es in Sachsen und Thüringen aus. Ingo Meinhard vom Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler, der in Mitteldeutschland mehr als 80 Geschäftsleute vertritt, spricht von einem bundesweiten Trend. Ein Waffenhändler aus Großörner im Landkreis Mansfeld-Südharz berichtet, Großhändler hätten mittlerweile erhebliche Mühe, den Bedarf zu decken.

Laut Gesetz sind alle tragbaren Gegenstände, die „ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen“, Waffen. Neben Schusswaffen oder ihnen gleichgestellten Gegenständen (etwa eine Armbrust) fallen darunter auch Hieb- und Stoßwaffen (Schlagstock, Machete oder Elektroschocker).

Wer sein 18. Lebensjahr vollendet hat, darf mit Waffen umgehen. Allerdings gelten für die unterschiedlichen Arten bestimmte Voraussetzungen. So muss der Erwerb von Schusswaffen von der Waffenbehörde genehmigt werden. Ausgenommen von dieser Erlaubnispflicht sind Luftdruckwaffen mit der Kennzeichnung „F“ sowie die sogenannten SRS-Waffen (Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen). Hinzu kommen noch verschiedene historische Modelle. Diese Waffen können im Handel von jedem Volljährigen ohne weitere Voraussetzungen erworben werden. Ihr Gebrauch ist allerdings gesondert geregelt.

Grundsätzlich müssen alle Waffen so verwahrt werden, dass kein Unbefugter an sie herankommt. Auf dem eigenen Grundstück oder auf einem Schießstand dürfen die Waffen ohne zusätzliche Genehmigung benutzt werden. Um eine Waffe mit sich zu führen, sie also in der Öffentlichkeit bei sich zu haben, ist ein Waffenschein notwendig.

Man unterscheidet zwei Arten: Der „kleine Waffenschein“ wurde 2003 eingeführt. Man braucht ihn, wenn man mit zum Beispiel mit einem Luftgewehr oder einer SRS-Waffe in der Öffentlichkeit unterwegs sein will. Neben der Volljährigkeit sind Zuverlässigkeit und persönliche Eignung die Voraussetzung für den Schein. Die Zuverlässigkeit wird beispielsweise anhand von Vorstrafen überprüft. Als ungeeignet gilt zum Beispiel, wer alkoholabhängig ist.

Eine erlaubnispflichtige Schusswaffe darf nur mit sich führen, wer einen regulären Waffenschein besitzt. Hier gelten die Bestimmungen der „kleinen“ Variante. Darüber hinaus muss noch Sachkunde nachgewiesen werden (etwa durch eine bestandene Jagdprüfung) und es muss ein Bedürfnis vorhanden sein. Letzteres liegt zum Beispiel bei Jägern, Sportschützen oder Sammlern vor.

Wichtig ist, dass der Waffenschein nur zum Mitführen berechtigt. Er ist keine Schießerlaubnis.

Das kommt auf die Anwendung an. Ein Spray, das gegen Menschen eingesetzt wird, ist eine Waffe. Im Gesetz wird von einem Reizstoffsprühgerät gesprochen. Die meisten Pfeffersprays werden aber als Tierabwehrspray verkauft. So gekennzeichnet sind sie keine Waffen. Das hat im Fall des Einsatzes aber keine Relevanz, denn wer ohne ein rechtliche Grundlage (etwa Notwehr) ein Pfefferspray gegen Menschen einsetzt, begeht eine schwere Körperverletzung.

Auch das Interesse an Schusswaffen nimmt zu. So hat das Landratsamt Wittenberg allein in diesem Jahr 35 sogenannte kleine Waffenscheine erteilt. Gegenüber 2014 entspricht das einem Anstieg um über 100 Prozent. Die Berechtigungen gelten unter anderem für Schreckschusspistolen. Diese Waffen sind zwar frei verkäuflich. Deren Besitzer darf sie aber nur dann in der Öffentlichkeit mit sich führen, wenn er einen kleinen Waffenschein hat.

Nach Angaben der Waffenhändler nennen viele Kunden als Grund für einen Waffenkauf die Angst vor Kriminalität und eine allgemein steigende Verunsicherung. Das Innenministerium äußerte sich zurückhaltend. Pressesprecher Stefan Brodtrück sagte: „Vieles, vor allem in ungeübten Händen, kann ungewollt zur Eskalation beitragen.“ Deutlicher wird der Landtagsabgeordnete der Grünen, Sebastian Striegel. Die Zahl der Straftaten sei seit Jahren rückläufig. Auch die Zuwanderung ändere daran nichts. „Private Aufrüstung“ mache die Welt nicht sicherer.

Gestiegenes Sicherheitsbedürfnis der Bürger

Neben Privatleuten setzen sich auch Kommunen mit dem Thema Sicherheit verstärkt auseinander. So will die Stadt Thale (Harz-Kreis) ihren privaten Sicherheitsdienst ausbauen, der seit einem Jahr nachts eingesetzt wird. Das kündigte Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU) an. Hintergrund sei das gestiegene Sicherheitsbedürfnis der Bewohner und die Tatsache, dass die Polizei entlastet werden müsse. Eine Rolle spiele auch der Flüchtlingszustrom. Nachts müssten verstärkt Gebäude kontrolliert werden, in denen Flüchtlinge wohnen. Bislang sind täglich zwischen 22 und 6 Uhr zwei Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes in einem eigens angeschafften Fahrzeug in Thale unterwegs. (mz)