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Versicherung reagiert auf Kritik Versicherung reagiert auf Kritik: Barmer GEK stoppt Windel-Ausschreibung

Von Timot Szent-Ivanyi 09.12.2015, 14:20
Die Barmer GEK hat die Windel-Ausschreibung gestoppt.
Die Barmer GEK hat die Windel-Ausschreibung gestoppt. dpa

Seit Monaten beschäftigt den Patientenbeauftragten der Regierung vor allem ein Thema: Karl-Josef Laumann (CDU) erhält immer mehr Beschwerden von Versicherten darüber, dass die von den Krankenkassen bezahlten Windeln für Inkontinente nichts taugen. Die Patienten beklagen, dass sie vernünftige Produkte nur gegen Zuzahlung aus eigener Tasche erhalten. Im Raum steht der Vorwurf, dass die Kassen das Mittel der Ausschreibung nutzen, um die Preise auf Kosten ihrer Versicherten zu drücken.

Die Krankenkasse Barmer GEK zieht nun nach Recherchen dieser Zeitung als erste Kasse ihre Konsequenzen: Sie hat eine Ausschreibung gestoppt, um die Versicherten künftig wieder mit besseren Windeln zu versorgen. Dabei dürfte sicherlich auch die von Laumann angestoßene öffentliche Debatte eine Rolle gespielt haben. Hauptgrund ist aber ein anderer: Die Barmer GEK hat bei der Ausschreibung eigentümliches beobachtet.

Barmer GEK schöpft Verdacht gegen Anbieter

Die Barmer GEK hatte im Juli Inkontinenzartikel mit einem Auftragsvolumen von über 77 Millionen Euro ausgeschrieben. Dabei hätten alle Bewerber aber bei den Windeln „auffällig niedrige“ Monatspauschalen von deutlich unter zehn Euro angeboten, berichtet Kassen-Sprecher Athanasios Drougias. Das ist in der Tat sehr wenig: Nach allgemeiner Einschätzung sind im Monat um die 20 Euro nötig, um passable Windeln zu bekommen. Die Barmer GEK hatte daher schon früh den Verdacht, die Anbieter hätten in ihrer Kalkulation von Anfang an eingepreist, dass die Patienten notgedrungen zu teureren Windeln greifen müssen, bei denen sie selbst zuzahlen müssen.

Um den Verdacht zu überprüfen, unterzog die Barmer GEK die Gebote einer sogenannten „Auskömmlichkeitsprüfung“. Dabei stellte sich laut Kasse tatsächlich heraus, dass für einen Monatspreis von deutlich unter zehn Euro ohne Zuzahlung „keine qualitativ hochwertige Versorgung“ möglich sei. Um nicht in die Bredouille zu kommen, dennoch den billigsten Anbieter nehmen zu müssen, hob die Kasse die Ausschreibung wieder auf.

Versicherung tritt in Verhandlungen

Die Versorgung soll nun auf herkömmliche Weise geregelt werden. Dabei werden mit Interessenten Verträge über konkrete Preise und Konditionen verhandelt, denen andere Hersteller beitreten können. „Damit wird den Versicherten eine Vielzahl von Anbietern zur Auswahl stehen, die hochwertige und aufzahlungsfreie Produkte anbieten“, betont die Barmer GEK.

Laumann zeigte sich zufrieden. Offenbar setze sich auch bei den Kassen immer mehr die Einschätzung durch, dass bei der Versorgung mit Windeln derzeit „ etwas mächtig schief läuft“, sagte er dieser Zeitung. „Die Verhandlungen über Preise dürfen nicht auf dem Rücken der Versicherten ausgetragen werden. Die Versorgung muss uns gerade in einem so sensiblen Bereich etwas wert sein“, ergänzte er. Die Versicherten hätten einen klaren gesetzlichen Anspruch auf Hilfsmittel, die qualitativ und quantitativ dem aktuellen Stand der Medizin entsprächen – und zwar ohne Eigenbeiträge, so der CDU-Politiker.

Theorie über Absprache im Umlauf

Wie es kommt, dass plötzlich alle Windelanbieter auffällig niedrige Preise anbieten, darüber rätselt nicht nur die Barmer GEK. In der Gesundheitsbranche kursiert eine Erklärung, die aber sehr nach Verschwörungstheorie klingt: Die Anbieter hätten sich abgesprochen, um das für sie ungünstige Mittel der Ausschreibung auf diese Weise ad absurdum zu führen und am Ende mit Hilfe der Politik zu kippen. Kenner der Szene wollen das nicht ausschließen, sie halten es aber für eine gewagte Theorie.

Dabei verweisen sie auf den starken Wettbewerbsdruck in der Branche, der es unwahrscheinlich erscheinen lasse, dass sich ein gut funktionierendes Kartell gebildet habe. Möglicherweise sei es tatsächlich schlicht der hohe Kostendruck durch die Kassen, der die Hersteller zu Tricks zwinge. Klar ist bisher nur eines: Das Bundeskartellamt in Bonn hat nach eigenen Angaben bisher keine Eingaben vorliegen, die sich mit einem Windel-Kartell beschäftigen.