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Zehnkampf und Basketball Zehnkampf und Basketball: Rico und Hanno Freimuth in Halle sportlich aktiv

Von Christoph Karpe 03.11.2015, 22:32
Rico Freimuth (r.) versucht, an Basketballer Hanno vorbei zu kommen
Rico Freimuth (r.) versucht, an Basketballer Hanno vorbei zu kommen Eckehard Schulz Lizenz

Halle (Saale) - Die Rhinos werden derzeit nicht gerade vom Erfolg gehetzt. Das Basketball-Team des USV wurstelt sich ein wenig durch die zweite Regionalliga. Regelmäßig fehlen Leistungsträger. Bloß gut, dass wenigstens der Neue in Serie trifft. Seine 36 Punkte hielten die Pleite am Samstag bei Südwest Berlin in Grenzen: 80:90. Ein echter Glücksgriff, dieser Freimuth.

Der Name hallt seit dem Sommer donnerartig wider, seit Rico Freimuth bei der WM in Peking sensationell Zehnkampf-Bronze erobert hat. Gegenüber am Tisch im Café sitzt jetzt der glühende Fan aus dem Korbjagd-Metier. „Bei seinem Wettkampf bin ich früh um drei Uhr aufgestanden, habe mich vor den Fernseher gesetzt und mitgezittert. Es war phänomenal“, berichtet Basketball-Freimuth voller Euphorie und zeigt auf seine Unterarme: „Siehst du, ich bekomme jetzt schon wieder Gänsehaut.“ Tatsächlich, ganz offensichtlich.

Dann geht die Tür auf und der deutsche Leichtathletik-Star stößt hinzu. Beide Männer umarmen sich herzlich. Freimuth und Freimuth, Hanno und Rico, die 27-jährigen Zwillingsbrüder, die seit diesem Herbst in Halle wieder vereint sind. „Na, Alter, alles klar?“, fragt Rico lässig.

Wobei „Alter“ sogar stimmt. „Ich war sechs Minuten früher da“, sagt Hanno grinsend. Die äußerliche Ähnlichkeit der zweieiigen Geschwister verblüfft nicht, doch die wenigen Minuten Differenz in der Lebenszeit haben die Brüder in ihrer früheren Entwicklung doch geprägt. Sie erzählen von der Kindheit in Potsdam mit Vater Uwe, dem einst begnadeten DDR-Zehnkämpfer, und Mutter Anke, ehemals Siebenkämpferin. Als der Vater dann einen Job in Malaysia bekam, waren die Jungs sechs Jahre alt. Sie wohnten in der Hauptstadt Kuala Lumpur, plötzlich zerbrach die Ehe der Eltern. Nach anderthalb Jahren in Asien ging es zurück. Die Mutter zog mit den Söhnen und der Tochter nach Meißen.

Die Schulzeit dort verlief nicht einfach für Rico, der nie mit Hanno zusammen in einer Klasse lernte. Häufig gab es Stress mit Mitschülern, Hanno eilte dann als Beschützer an Ricos Seite. „Mir fiel vieles zu, Rico musste sich mehr durchkämpfen“, erzählt der Ältere.

Der Name Freimuth hilft

Und Hanno erzählt jetzt auch die Episode, wie der Bruder eigentlich zum Zehnkampf gekommen ist. Es war die Zeit in Meißen, die Teenager-Zeit, in der Rico, im Gegensatz zu den sportlich höchst engagierten Geschwistern, so keine echte Freizeitbeschäftigung hatte. „Unsere Schwester spielte Volleyball und war an der Sportschule in Dresden, gehörte zur Nachwuchs-Nationalmannschaft. Ich ging nach Chemnitz - ebenfalls an die Sportschule - als Basketballer. Rico hockte zu Hause, wusste nicht so recht, wohin mit sich. Unsere Mutter sorgte sich. Dann rief sie bei den Leichtathleten in Dresden an und hat sich, obwohl sie ja nicht mehr so hieß, mit dem Namen Freimuth gemeldet“, erinnert sich Hanno.

Es war die wohl entscheidende Aktion, die seinen Bruder doch noch vom veranlagten Freizeit-Talent zum richtigen Sportler machte. Hanno erzählt weiter: „Dort hieß es zunächst abschätzig: ,Ihr Junge ist für richtiges Training schon zu alt.’ Doch unsere Mutter beharrte darauf, dass ihr Anliegen unbedingt samt Name, der ja einen gewissen Klang hatte, zu den Trainern weitergegeben wurde.“

Von denen meldete sich der inzwischen verstorbene Bernd Großmann, der Vater und Mutter natürlich kannte und sagte: „Einen Freimuth nehme ich ungesehen sofort.“ Der Experte, der davor auch beim SC Chemie Halle arbeitete, vertraute auf die Sportler-Gene der Familie und hatte damit das richtige Näschen. Und so begann Ricos Mehrkampf-Karriere. Als sein Mentor 2005 verstarb, ging er nach Halle - wegen der besseren Bedingungen und des exzellenten Rufs von Trainer Wolfgang Kühne.

Basketballer in der Pro A

„Es gibt ein Sprichwort: Der Zehnkampf sucht sich dich aus. An mir ist er vorbei gegangen“, sagt Hanno Freimuth. Er selbst „hatte nie auch nur die Idee, zur Leichtathletik zu gehen“. Seine Leidenschaft gehörte dem Basketball. In Chemnitz schaffte er es zum Junioren-Nationalspieler und später bis in die zweite Bundesliga Pro A. Bei den Sixers in Sandersdorf spielte er, als er vor sechs Jahren nach Leipzig gezogen war, Pro B. „Doch vier Jahre lang habe ich dann zuletzt überhaupt nichts gemacht, erst jetzt fange ich gerade wieder an - und wünsche mir Ricos Fitness.“ Der Bruder wirft ein: „Mit meinem Ehrgeiz hättest du es bis in die erste Bundesliga geschafft.“ Hanno nickt. „Ich hatte nie den Biss, den Rico entwickelt hat.“ Ihm waren irgendwann andere Dinge wichtiger.

Hanno konzentrierte sich auf seine Ausbildung bei der Krankenkasse - er arbeitet bei der DAK in Halle - und wurde Vater. Jetzt ist er Hobby-Basketballer, der es zeitlich nicht einmal zu jedem Rhinos-Training schafft, und lebt als Sportler vom Potenzial seiner Vergangenheit. Und er ist glühender Fan seines Bruders, bewundert auch dessen bemerkenswerten Wandel in der Persönlichkeit: „Er hat Demut gelernt, ist freier im Kopf, gelassener, weiß jetzt prima mit Druck umzugehen“, sagt Hanno und glaubt: „In Rio kann Rico auch eine Olympia-Medaille holen.“

Genau die hat sich der Bruder als nächstes Ziel gesetzt. Die erste Station der Vorbereitung auf die Sommerspiele 2016 ist das Trainingslager ab nächster Woche in Südafrika. Hanno Freimuth bekommt derweil den Schlüssel für die Wohnung von Rico und dessen Zehnkampf-Kumpel Michael Schrader, wo der Leipziger nach dem Rechten sehen soll. Und Hanno wird versuchen, mit den Rhinos inzwischen ein paar Spiele zu gewinnen. (mz)