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HFC-Gegnervorschau Werder Bremen II HFC-Gegnervorschau Werder Bremen II: Urgestein der Drittklassigkeit

Von Max Ohlert 14.10.2015, 14:40
Hatte Glück, dass ihm ein Baguette nicht die Karriere versperrte: Melvyn Lorenzen
Hatte Glück, dass ihm ein Baguette nicht die Karriere versperrte: Melvyn Lorenzen imago/nph Lizenz

Halle (Saale) - Als die zweite Mannschaft des SV Werder Bremen am 31. Mai 2015 in einem dramatischen Playoff-Rückspiel die U23 von Borussia Mönchengladbach mit 2:0 n.V. besiegte, verstanden wohl die wenigsten, dass das kein Aufstieg einer weiteren ungeliebten Zweitmannschaft in die 3. Liga war.

Vielmehr handelte es sich um die Rückkehr eines echten Urgesteins der fußballdeutschen Drittklassigkeit in seine natürliche Umgebung. Von der Ligareform 1994 bis zum Jahr 2012 schrieben die "Amateure" des traditionsreichen Bundesligisten von der Weser in 18 Jahren Drittklassigkeit ihre eigene Geschichte. Der Platz 11 ist seitdem der vielleicht berühmteste Amateursportplatz Deutschlands, der keine Profivergangenheit besitzt. Die zärtlichen Kosenamen "Friedhof der Favoriten" oder auch "Hinterhof des Henkers" sprechen Bände.

Das mittlerweile 5.500 Zuschauer starke Amateurstadion war seinerzeit auch Schaubühne echter Fußballgrößen. Die Vorteile lagen auf der Hand: Während andere Bundesligisten ihre Talente auf der Ersatzbank versauern ließen, gönnten die Bremer ihren Youngstern wertvolle Minuten der Drittklassigkeit gegen Vereine wie Eintracht Braunschweig, Hannover 96, den VfL Osnabrück oder später auch Carl Zeiss Jena, Fortuna Düsseldorf oder Union Berlin.

Auch Banovic lief für Werder II auf

Die Liste der Spieler, die ihren Weg von den Bremer Amateuren in die Bundesliga der frühen 2000er-Jahre fanden ist lang und weckt Erinnerungen an grelle und weite Fußballtrikots und die Reporterstimme von Werner Hansch: Die Flügelzange aus dem Namibier Razundara Tjikuzu und dem Kanadier Paul Stalteri, die späteren Nationalspieler Simon Rolfes, Christian Schulz und Tim Borowski. Nelson Valdez und Aaron Hunt, selbst HFC-Stratege Ivica Banovic lief in der Saison 2003/2004 einige Male für Werder in der damals drittklassigen Regionalliga Nord auf.

Das geballte Potenzial der Bremer Amateure offenbarte sich auch in den Platzierungen: Zwischen 1997 und 2000 etablierte man sich in der Spitzengruppe der Liga, war aber aufgrund des Zweitmannschaftsstatus nie befugt, in die zweite Liga aufzusteigen. Trainer der Grün-Weißen war seinerzeit ein gewisser Thomas Schaaf. Als dieser im Jahr 2013 nach 14 hocherfolgreichen Bundesligajahren bei Werder Bremen entlassen wurde, besann man sich an der Weser nach dem "Missverständnis" Robin Dutt auf seine alten Werte und installierte wie einst Schaaf letzten Endes U23-Trainer und Ex-Spieler Viktor Skribnik. Schaafs Nachfolger Frank Neubarth war zwischenzeitlich Chefcoach auf Schalke. Der aktuelle Coach Alexander Nouri ging bisher den gleichen Weg: Spieler, U23-Trainer und möglicherweise irgendwann Bundesligatrainer. Werder Bremen II - ein Sprungbrett auf für Übungsleiter.

Trennung von Borowski

Umso größer war die Freude, als unter Nouri in der vergangenen Saison die Rückkehr in vertraute Gefilde gelang. Der Start der Weserstädter verlief allerdings etwas holprig. Dem überraschenden Auftaktsieg in Rostock folgte eine sieglose Serie von sage und schreibe zehn Spielen, ehe man am vergangenen Spieltag ausgerechnet gegen die zuletzt stark aufspielende U23 von Mainz 05 gewann - und das in Unterzahl. Stürmer Ousman Manneh hatte zuvor wegen eines aggressiven Foulspiels die rote Karte gesehen und fehlt nun die folgenden drei Spiele. Die Sperre des besten Stürmers der Grün-Weißen offenbart auch ein Problem, dass die bisherige Saison des Aufsteigers prägt. Zu viele Störfeuer brachten zuletzt immer wieder Unruhe in die Mannschaft.

Der im Sommer als sportlicher Leiter installierte Ex-Spieler Tim Borowski trat nur wenige Wochen nach Saisonbeginn bereits wieder von seinem Posten zurück - überraschend für alle Beteiligten. Borowski hatte, abgesehen von einer einjährigen Liaison beim FC Bayern München, immer für Werder Bremen gespielt und seine Managementausbildung ebenfalls im Verein absolviert. Zwar betonten alle Seiten, dass der Trennung kein Streit oder gesundheitliche Probleme Borowskis vorausgegangen war, doch trotzdem beruhigte das Thema die sportlich ohnehin schon schwere Situation nicht unbedingt.

"Baguette-Gate"

Dazu kam mit "Baguette-Gate" eine unnötige Verfehlung zweier Bremer Spieler: Außenverteidiger Leon Guwara und Toptalent Melvyn Lorenzen hatten sich vor der Abfahrt zum Auswärtsspiel in Erfurt jeder ein reichlich belegtes Baguette mitgebracht. Was amüsant klingt, war für Trainer Nouri ein Verstoß gegen die Ernährungstipps des Vereins an seine Spieler - und er ließ beide Spieler kurzerhand in Bremen. Wieder ein Störfeuer, wieder eine Niederlage. Nach der Begegnung wurden beide Spieler aber begnadigt.

Diese Begnadigung war allein schon notwendig, weil Lorenzen zu den Toptalenten des Teams gehört. Der 1,90m große Stürmer ist ein ähnlicher Typ wie der zuletzt von Bremen zu RB Leipzig abgewanderte Stürmer Davie Selke - groß, kopfballstark und trotzdem beweglich und dynamisch. Zuletzt traf Lorenzen im Testspiel gegen den FC St. Pauli (5:1) dreimal und dürfte gegen den Halleschen FC auch erste Wahl im Sturm neben Routinier Rafael Kazior sein. Doch der gebürtige Londoner ist nicht der einzige Rohdiamant an der Weser. Allrounder Marnon Busch gehört regelmäßig zum Kader der Bundesligamannschaft, Oliver Hüsing überzeugte in der Rückrunde der vergangenen Saison bei Hansa Rostock. Martin Kobylanski, Sohn des ehemaligen Bundesligastürmers Andrzej Kobylanski (u.a. Hannover, Cottbus) absolvierte für Union Berlin bereits 19 Spiele in der 2. Bundesliga.

Konzentriert sich die Mannschaft also aufs Sportliche, sollte sie mit dem Abstiegsplatz, auf dem sie aktuell noch steht, nichts zu tun haben. Für die Spieler wäre es ein nächster schöner Erfolg und für die Liga eine echte Bereicherung. Kaum eine B-Mannschaft gehört mehr zur 3. Liga, als die, vom Platz 11.