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NS-Vergangenheit des ehemaligen Leopoldina-Präsidenten  NS-Vergangenheit des ehemaligen Leopoldina-Präsidenten : Historiker entlasten Emil Abderhalden

28.07.2015, 09:59

Halle (Saale) - Im Streit um die Umbenennung der Emil-Abderhalden-Straße in Halle hat die Wissenschaftsakademie Leopoldina eine Studie zu ihrem ehemaligen Präsidenten von 1932 bis 1950 vorgelegt. Sie entlastet Abderhalden vom Vorwurf, ein überzeugter Rassist und Nationalsozialist gewesen zu sein. "Ein lupenreiner Demokrat war er sicherlich nicht, aber auch kein Nationalsozialist. In ihm bündelte sich die komplexe Widersprüchlichkeit seines Zeitalters", sagte Professor Wolfgang Eckart bei der Vorstellung der Studie am Dienstagvormittag in der Leopoldina. Es gebe keine Belege, dass die eugenischen Überlegungen Abderhaldens rassistisch geprägt waren oder der ehemalige Leopoldina-Präsident antisemitische Einstellung gehabt habe.

Studie befeuert Streit um Emil-Abderhalden-Straße

Allerdings sieht die Historikerkommission das Wirken Abderhaldens durchaus ambivalent. So sei er maßgelblich an der Streichung der jüdischen Mitglieder der Leopoldina im Jahr 1938 beteiligt gewesen. Auch seine Forschungen seien durchaus anschlussfähig für die Ideologie des Nationalsozialismus gewesen. "Abderhalden wollte Partei und Staat von der Leopoldina ablenken. Sein Handeln war weniger von Zivilcourage als von taktischen Winkelzügen geprägt", sagte Eckart. Die Studie kommt zu dem Fazit: "Für eine unkritische Verehrung taugt Abderhalden ebensowenig wie für eine lebensfremde Aburteilung."

Die neuen Erkenntnis werden bestimmend für die Diskussion im Stadtrat um die Umbenennung der Emil-Abderhalden-Straße sein. Ende des vergangenen Jahres hatten sich die Kommunalpolitiker verabredet, zunächst auf die Ergebnisse der Studie zu warten, bevor eine Entscheidung gefällt wird. Die Grünen und einige Professoren des neuen Geisteswissenschaftlichen Zentrums der Universität fordern eine Umbenennung. In dieser Frage hält sich die Leopoldina indes zurück: "Eine Umbenennung einer Straße ist eine Ermessensentscheidung der Stadt." (mz/jop)