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Wolfener Industrie- und Filmmuseum Wolfener Industrie- und Filmmuseum: Regisseur Bernhard Stephan stellt Defa-Debütfilm vor

Von Andreas Behling 28.08.2015, 13:38
Paul Werner Wagner und Regisseur Bernhard Stephan sprechen über den Film „Für die Liebe noch zu mager?“.
Paul Werner Wagner und Regisseur Bernhard Stephan sprechen über den Film „Für die Liebe noch zu mager?“. Andreas Behling Lizenz

Wolfen - Simone von Zglinicki hat die Welt von Bernhard Stephan gerettet. Die war nämlich kurzzeitig zusammengebrochen, als der Regisseur erfuhr, dass seine ursprünglich geplante Hauptdarstellerin Katharina Thalbach wegen Schwangerschaft absagen musste. Sollte deswegen nun „Für die Liebe noch zu mager?“, der Defa-Debütfilm von Stephan, scheitern? Nein! Auf keinen Fall.

Denn zum Glück gab es da die damals noch in Leipzig studierende Jungdarstellerin Zglinicki. „Sie wurde mir von Wera Küchenmeister empfohlen und war es auf Anhieb. Ich habe die Entscheidung nicht bereut“, bekannte der Regisseur am Mittwochabend im Gespräch mit Paul Werner Wagner. Stephan war Gast der aktuellen Folge der Reihe „Filme wiederentdeckt“ im Wolfener Industrie- und Filmmuseum. „Frisch, sehenswert, charmant und voller Feuer“, so beschrieb Moderator Wagner im erneut vollen Saal den erstmals 1974 gezeigten Streifen, in dem auch der Dessauer Schauspieler Karl Thiele mitwirkte.

Musik brachte große Gesten

Einen wesentlichen Beitrag zu der Einschätzung lieferte die Musik. Im Film sind unter anderem Titel vom Illés-Ensemble mit Zsuzsa Koncz und die Klaus Renft Combo („Was machen die Leute, wenn sie keine Fahne tragen“) zu hören. Die Texte zu den Kompositionen hatte hauptsächlich Gerulf Pannach verfasst. Der 1998 verstorbene Liedermacher gehörte im November 1976 zu den Unterzeichnern der Protesterklärung gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann.

Für Bernhard Stephan, der am 24. Januar 1943 in Potsdam geboren wurde (siehe „Biografisches“), war die Musik allerdings mehr als hübsches Beiwerk. „Es war der Rückgriff auf den Chor, der in den Tragödien der griechischen Antike stets präsent war“, erläuterte der Filmemacher, der zunächst als Übersetzer tätig war.

Amüsanter Grundton

Obgleich die junge Textilfacharbeiterin Susanne, die Simone von Zglinicki verkörperte, am Ende noch nicht den Mann fürs Leben gefunden hatte, musste niemand im Publikum zu Tränen gerührt zum Taschentuch greifen. „Für die Liebe noch zu mager?“ kam mit einem amüsanten Grundton daher.

So hatte Susannes Favorit, der langhaarige und echte Levis tragende Lutz (Christian Steyer) sein Zimmer mit Sprüchen wie „Fasse dich kurz“ und „Männer, achtet auf eure Gesundheit“ dekoriert. Er ist ein Unangepasster, der als Seemann die Welt erobern will, doch zunächst einen Zug entern muss, um die ersten Kilometer zurückzulegen. Mit ihm verbringt die fleißige und gewissenhafte 18-Jährige - sie kennt sich beim Erste-Hilfe-Lehrgang aus und taucht unter „Unsere Besten“ auf der Wandzeitung auf - eine kurze Zeit des Glücks. Diese Momente sind so intensiv, dass sich Susanne ein neues Kleid und einen zauberhaften, mit Früchten dekorierten Strohhut gönnt. Außerdem nimmt sie beim Betrachten von Theaterszenenfotos unvermittelt mit ihrem Lutz die Positionen der Hauptdarsteller in Schillers „Kabale und Liebe“ ein. „Du bist schon irre in Ordnung“, gibt ihr der bekennende Jeans-Fan mit auf den Weg, bevor er sie - ohne ein tränenreiches Finale zu verursachen - verlässt. (mz)