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MZ-Exklusiv-Interview mit Bernd Wiegand MZ-Exklusiv-Interview mit Bernd Wiegand: "Das war sehr bewegend"

16.02.2015, 07:23
Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand
Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Vor genau einer Woche wurde Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) vom Verdacht der Untreue freigesprochen. Hartmut Augustin und Gert Glowinski sprachen mit dem Rathauschef über seine Gefühle bei der Urteilsverkündung, die künftige Zusammenarbeit mit dem Stadtrat und wichtige politische Projekte.

Das Landgericht hat Sie freigesprochen, doch im Gerichtssaal haben Sie das Urteil recht emotionslos aufgenommen. Haben Sie sich nicht wenigstens ein bisschen gefreut?

Wiegand: Das war für mich kein Grund zum Feiern. Ich habe das Recht richtig angewandt, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Warum kein Grund zum Feiern? Immerhin waren die vergangenen Wochen doch sicher voller Anspannung.

Wiegand: Ich habe gelernt, in schwierigen Situationen Ruhe zu bewahren, beispielsweise auch beim Hochwasser. Nach dem Urteil habe ich viel Zuspruch erfahren, aber auch schon davor. Bürger haben mich auf der Straße angesprochen und beglückwünscht, einige haben sogar Blumen ins Büro gebracht. Viele Hallenser haben den Prozess als ungerecht empfunden.

Über diesen Zuspruch haben Sie sich dann doch gefreut?

Wiegand: Natürlich, das war sehr bewegend.

Sie können mit einem gestärkten Selbstbewusstsein nach dem Prozess agieren. Was sind für Sie nun die wichtigsten politischen Projekte?

Wiegand: Wichtigster Punkt ist die Wirtschaft. Gemeinsam mit den Stadträten arbeiten wir an einem Wirtschaftskonzept. Das soll Mitte April vorliegen. Es geht darum, Investoren zu bewegen, in die Stadt zu kommen. Es geht um Ansiedelungen im Star Park, wie zuletzt Ebay Enterprise. Wir haben in diesem Fall mit dem Kaufvertrag auch gleich die Baugenehmigung ausgehändigt, das hat deutschlandweit Anerkennung gefunden. Ich rechne deshalb mit weiteren Ansiedlungen. In diesem Jahr steht auch der Zoo im Fokus. Wir haben eine Bürgerbefragung gestartet, um Ideen für eine Neuausrichtung zu sammeln. Die spannende Frage ist, wollen wir uns mit anderen großen Zoos vergleichen oder wollen wir uns abgrenzen und andere Wege gehen.

Wie wollen Sie den Zoo verändern?

Wiegand: Es geht unter anderem darum, den Bergzoo stärker mit dem Saaletourismus zu verknüpfen. Denkbar wäre zum Beispiel eine Seilbahn, die das Alleinstellungsmerkmal des Zoos betont.

Was ist noch geplant?

Wiegand: Pläne gibt es für den Riebeckplatz. Wir denken über ein Verwaltungszentrum nach. Die Verwaltung ist derzeit an mehr als 30 Standorten untergebracht. Wenn einige von ihnen zusammengeführt werden würden, gäbe es finanziellen Spielraum, um als Ankermieter in den Neubau eines städtischen Wohnungsunternehmen am Riebeckplatz zu ziehen. Das hätte zur Folge, dass der Bereich dort belebt wird, mit vielen positiven Folgen. Ein entsprechendes Konzept wird gerade erarbeitet und mit den Stadträten abgestimmt. Vor den Sommerferien rechne ich mit einer Entscheidung.

Sie betonen immer wieder die Zusammenarbeit mit den Stadträten. In ihrem letzten Wort vor Gericht haben Sie gesagt, Sie werden diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die den Prozess gegen Sie angestrebt haben. Muss im Stadtrat nun jemand mit Konsequenzen rechnen?

Wiegand: Das kann ich Ihnen nicht sagen, diese Dinge müssen juristisch geklärt werden.

Auf wen bezieht sich denn Ihre Bemerkung?

Wiegand: Definitiv nicht auf Stadträte.

Eine MZ-Umfrage unter den Stadträten hat gezeigt, dass viele mit Ihnen zum Wohle der Stadt zusammenarbeiten wollen ...

Wiegand: Das sehe ich genauso. Seit der letzten Kommunalwahl hat sich die Arbeit im Stadtrat sehr sachorientiert entwickelt. Wichtige Probleme, über die jahrelang nicht entschieden wurde, konnten parteiübergreifend abgearbeitet werden. Das hat richtig Freude gemacht. Aber natürlich streiten wir auch um die besten Lösungen.

Das ist ja auch nicht schlimm …

Wiegand: Nein, überhaupt nicht. Wir müssen aber daran arbeiten, zu entscheiden. Oft auch schnell, wenn ich an die Wirtschaft denke, beispielsweise bei Ansiedlungen. Nach einer sachgerechten Diskussion darf dann nicht der Mut zu einer Entscheidung fehlen, auch wenn sie vielleicht nicht allen gefällt.

Nach dem Urteil ist Ihre Position auch gegenüber der Landesregierung wieder stärker. Was wollen Sie dort durchsetzen?

Wiegand: Die Zusammenarbeit war zuvor schon hervorragend, obwohl das mancher aus politischen Gründen öffentlich nicht sagt.

Das war nicht gemeint. Welche Projekte wollen Sie bei der Landesregierung vorantreiben?

Wiegand: Wir haben bereits mit unserem ausgeglichenen Haushalt überzeugt. Dadurch konnten wir 23 Millionen Euro an Fördermitteln im vergangenen Jahr abrufen.

Wie würden Sie ihren Politikstil bezeichnen?

Wiegand: Offen und ich freue mich über jeden, der neue Ideen mitbringt. Ganz ausdrücklich trifft das auch auf Stadträte zu.

So wie beim Wirtschaftskonzept?

Wiegand: Genau. Alle arbeiten hier zusammen: Die Verwaltung, die Stadtwerke, die Entwicklungsgesellschaft für den Star Park, das MMZ, die Wohnungsgesellschaften, also praktisch der gesamte Konzern Stadt. Aus allen Bereichen fließen Konzepte und Ideen ein. Wir bilden so eine Grundstruktur. Dann gibt es Ende April einen Workshop mit den Stadträten, wo einzelne strittige Punkte nochmals zur Diskussion gestellt werden.

Die frühere Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler hat Ihnen in der MZ geraten, sehr frühzeitig die Stadträte einzubeziehen. Werden Sie das beherzigen?

Wiegand: Ich kommentiere Meinungen früherer Oberbürgermeister nicht. Es gibt einen gewählten Stadtrat und einen gewählten Oberbürgermeister. Beide haben gesetzliche Kompetenzen, sich zu kontrollieren, sich zu zügeln, zu beschleunigen. Das geschieht bereits in guter Form. Der Oberbürgermeister hat den Auftrag, Entscheidungen vorzubereiten. Deshalb verlangen viele Stadträte, dass ich mit einem ausgearbeiteten Vorschlag komme. Das geschieht auch. Und es gibt auch viele Themen, die wir gemeinsam entwickeln.

Stichwort Finanzen. Wird der neue städtische Haushalt wieder ausgeglichen sein?

Wiegand: Ich denke ja. Wir haben aber Vorgaben vom Landesverwaltungsamt bekommen, die Höchstgrenze bei den Liquiditätskrediten liegt bei 340 Millionen Euro. Das heißt, wir müssen sparen. Meine Aufgabe ist es deshalb auch, manche Wünsche und Begehrlichkeiten der Stadträte abzuwehren, das geht nicht anders. In der Vergangenheit ist das jedoch oftmals nicht erfolgt, deshalb haben wir so hohe Schulden.