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Musikfest in Teuchern Musikfest in Teuchern: Unerhörte Verabredungen

Von bärbel schmuck 03.07.2013, 16:54
Boten Kunstgenuss in Teucherns Kirche St. Georg: Susanne Ellen Kirchesch, Thomas Ihlenfeldt und der Neuseeländer James Bush (von links).
Boten Kunstgenuss in Teucherns Kirche St. Georg: Susanne Ellen Kirchesch, Thomas Ihlenfeldt und der Neuseeländer James Bush (von links). peter lisker Lizenz

teuchern/MZ - Die mit Gartenblumen in leuchtendem Gelb und Lila und brennenden Kerzen liebevoll geschmückte Kirche St. Georg in Teuchern erlebte am sonnigen Dienstagabend eine wahre Flut von Begegnungen. So als hätten sich Besucher aus ganz Mitteldeutschland zu unerhörten Verabredungen getroffen – um dem Motto des dritten Musikfestes „Unerhörtes Mitteldeutschland“ tatsächlich gerecht zu werden.

Bevor das Konzert mit Musikern der Capella Orlandi Bremen losging, hatten Renate Schallenberg und Bertram Adler am Eingang des Denkmals alle Hände voll zu tun mit dem Kartenverkauf. Denn es bildeten sich mitunter kleine Warteschlangen vor der 1610 erbauten Kirche. Hier musizierten vor mehr als 60 Zuhörern Thomas Ihlenfeldt an der barocken Langhalsgitarre (Chitarrone), Rachel Harris (Violine) und James Bush (Violoncello). Das virtuose Trio begleitete unter anderem die Sängerin mit dem glasklaren Sopran, Susanne Ellen Kirchesch.

Dass neben Werken von Johann David Heinichen, Gottfried Heinrich Stölzel und John Eccles Musik ihres Zeitgenossen Reinhard Keiser (1674 bis 1739) erklang, hatte wie jedes Jahr seinen besonderen Grund. In Keisers Taufkirche wurde das Konzert als Teil der Musikreihe zum Anlass genommen, den großen Sohn der kleinen Stadt gebührend zu ehren. Für die Frau und den Mann im Ehrenamt - Schallenberg und Adler - als Vertreter des Vereins Reinhard-Keiser-Gedenkstätte Teuchern - war nicht nur die Resonanz auf die Veranstaltung der Lohn für viel Fleiß in der Vorbereitung. Dass Musiker des Ensembles Capella Orlandi Bremen seit 17 Jahren in der Kirche gastieren, sieht der Förderkreis als Wertschätzung, sagte dessen Vorsitzender Bertram Adler.

Alles hatte 1996 begonnen, erinnerte sich Adler. Die Capella sollte in der Weißenfelser Schlosskirche Keisers Oper „Pomona“ als konzertante Fassung aufführen, der damalige Pfarrer hatte das abgelehnt. „Wir wurden in Teuchern mit offenen Armen empfangen, die Kirche hat zudem eine gute Akustik“, so Leiter Thomas Ihlenfeldt. Es sei jedes Jahr eine Freude, in der kleinen Stadt ein Konzert zu Ehren Keisers zu geben, sagte der 55-jährige Chef des Ensembles, der aus dem Holsteinischen stammt, im Bremer Theater auftritt und auch als Gastmusiker im Orchester an der Komischen Oper Berlin ein vielbeschäftigter Künstler ist. Das können auch seine Mitstreiter des Abends von sich sagen.

„Um so mehr freuen wir uns, dass die Bremer immer wieder in unterschiedlichen Besetzungen in Teuchern Konzerte geben“, sagte Ines Hoffmann aus Droyßig. Mit Ehemann Günther genoss sie „wunderschöne Barockmusik“. Nebenbei verriet die Droyßigerin, dass sie und ihr Mann im Zeitzer Oratorienchor mitsingen.

Auch Publikum aus Zwickau, Halle und Leipzig, Weißenfels und Teuchern fühlte sich in höfische Zeiten des 17. und 18. Jahrhunderts versetzt, als Reinhard Keiser wie auch Georg Friedrich Händel ihre ersten Erfahrungen in der Hofkapelle Halle und später Weißenfels sammelten, wo eine Hofoper gegründet wurde.

Mit Keisers Wirken in Hamburg entwickelte sich die Gänsemarktoper zu einem der bedeutendsten Musikzentren in Europa. Dieses Kapitel um den „Superstar“ seiner Zeit haben zwei Männer erforscht, die sich am Dienstagabend nicht nur als Musiker und Besucher „verabredet“ hatten: Barockgitarrenvirtuose Thomas Ihlenfeldt mit seinem Ensemble und Musikwissenschaftler Hansjörg Drauschke samt Frau und Eltern unter den zahlreichen Zuhörern. Nach der Veranstaltung nahmen sie sich Zeit für einen Austausch unter Keiser-Experten. Denn Ihlenfeldt und Drauschke sind mit ihren Forschungen längst nicht am Ende, sondern pflegen weiterhin eine enge Zusammenarbeit von Halle bis Berlin und umgekehrt.

Nach dem 90-minütigen Konzert beschlossen Drauschkes Eltern, die in Leipzig wohnen, spontan, in der Gegend zu übernachten und am nächsten Morgen einen Abstecher in die Weißenfelser Schlosskirche und das Heinrich-Schütz-Haus der Stadt zu machen. „Wir haben uns das passende Rahmenprogramm zusammengestellt“, sagte die promovierte Chemikerin Monika Drauschke beim gestrigen zufälligen Wiedersehen im Schlosshof der Neu-Augustusburg.

Amerikanerin Rachel Harris an der Violine sprang für eine Kollegin ein.
Amerikanerin Rachel Harris an der Violine sprang für eine Kollegin ein.
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