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Image-Schaden Image-Schaden: Halle wehrt sich

Von Detlef Färber 03.04.2013, 18:52
Aktivisten des halleschen Bündnis gegen Rechts bei der Vorbereitung für eine Demonstration im April 2011.
Aktivisten des halleschen Bündnis gegen Rechts bei der Vorbereitung für eine Demonstration im April 2011. Bauer/ARCHIV Lizenz

Halle/MZ - Eigentlich ging es um etwas Positives - um eine Art Vorreiterrolle. Dass Halle bei der kommenden Bundestagswahl die deutsche Stadt werden könnte, aus der der erste schwarze Bundestagsabgeordnete kommt, war Anlass eines Vor-Ort-Termins des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ in der Saalestadt. Doch in dem Bericht über das Gespräch mit dem SPD-Direktkandidaten Karamba Diaby kam dann dieser Nebensatz, der nun in Halle und in ganz Sachsen-Anhalt die Wellen hochschlagen lässt. Halle gilt als eine „Hochburg des Rechtsradikalismus in Deutschland“, heißt es da im Text - und die „Hochburg“ schafft es sogar noch bis in den Überschriftenblock. Der Innenminister des Landes, Holger Stahlknecht (CDU), zeigte sich „irritiert“ davon. „Ich habe bislang nicht feststellen können, dass Halle eine Hochburg von Rechtsextremisten ist“, sagte er der MZ. Solche Äußerungen riefen einen Image-Schaden hervor, das schade Halle und das schade dem Land - und das ausgerechnet kurz vor dem Auftakt zu einer neuen Einbürgerungskampagne Sachsen-Anhalts, die heute in Halle gestartet werden soll. Der Spiegel werde überregional gelesen, außerhalb Sachsen-Anhalts bliebe am Ende hängen, dass im Osten überwiegend Nazis und Antidemokraten lebten, so Stahlknecht: „Da wird ein Klischee produziert.“

Angst wird geschürt

Mehr als nur irritiert sind auch Zuwanderer wie Tarek Ali, der Vorstand des islamischen Kulturzentrums in Halle: „Ich kam vor acht Jahren nach Halle und bin frustriert und entsetzt über diesen Artikel. Bevor ich hierher kam, haben in Ägypten alle gesagt, die Deutschen wären ausländerfeindlich. Ein Vorurteil, das ich hier nie bestätigt fand. Auch meine Frau, die Kopftuch trägt, hatte nie Probleme. Solche Artikel schüren Ängste. Man muss miteinander reden.“

Auch Halles ehemaliger Oberbürgermeister Klaus Rauen hat der Spiegel-Bericht überrascht. Die Behauptung sei „eine Unverschämtheit“. Halle hat - so Rauen - „genügend Probleme, das aber nicht“. Doch Vorurteile dieser Art seien ihm „bei Leuten, die sich professionell mit Halle beschäftigen“, nie begegnet. Trotzdem, so Rauen: „So etwas schadet“, wenn eine Stadt damit in Verbindung gebracht wird. Auch Stefan Möslein, Sprecher der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, hebt den Image-Schaden hervor, denn: Der Faktor Image spiele immer eine Rolle, wenn es um Ansiedlungen und um das Anwerben von Fachkräften geht. „Da sind negative Nachrichten natürlich nicht förderlich“, so der IHK-Mann. Zu Halles Image könnten aber die Hallenser auch selbst beitragen, indem sie die positiven Aspekte Halles transportieren und so dem negativen Medienbild entgegenwirken. Solche Aspekte seien auch hallesche Unternehmer mit Migrationshintergrund.

Artikel "schlecht recherchiert"

Geradezu „verheerend“ nennt Christine Gering, die stellvertretende Direktorin des Dorint-Hotels, die Wirkung eines solchen überregionalen Artikels. „Wer weiß, wie viele Veranstalter deswegen Halle als Tagungsort oder ähnliches meiden.“ Der Artikel ärgere sie auch deshalb, weil sie von Hotelgästen noch nie gehört habe, dass sie in Halle Ausländerfeindlichkeit erlebt hätten. Und Halles Stadtratsvorsitzender Harald Bartl (CDU) nennt den Artikel „schlecht recherchiert“. Der Autor bediene zudem das alte Vorurteil, dass Halle „eine hässliche Stadt“ sei.

Immer noch betroffen von der Breitseite gegen Halle ist auch der Mann, dem der Artikel eigentlich galt, nämlich Karamba Diaby: „Ich wollte dem Autor vermitteln, dass ich mich in diese Stadt verliebt habe, denn Halle ist die deutsche Stadt, in der 1703 zuerst ein Schwarzafrikaner studieren und 1755 die erste Frau promovieren durfte.“

Dass sich die Einschätzung Halles aus dem  jüngsten Spiegel-Artikel offenbar noch nicht mal mit den Statistiken und Erkenntnissen in der eigenen Redaktion decken, zeigt die Grafik „Braune Zone“, die der Spiegel im Januar veröffentlichte. Der Grafik zufolge könnte für Halle und Umgebung ebenso wie für weite Teile Sachsen-Anhalts fast schon Entwarnung gegeben werden. Denn auf der Karte wird die „Braune Zone“ eher anderswo - im äußersten Südosten, aber teilweise auch im äußersten Südwesten und im Norden  Ostdeutschlands lokalisiert. Und trotz dieser Erkenntnis:  Entwarnung will auch in Halle niemand geben.