1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Kultur
  6. >
  7. Bauhaus-Ausstellung in Weimar: Hitler auf dem Stahlrohrstuhl

EIL

Bauhaus-Ausstellung in Weimar Hitler auf dem Stahlrohrstuhl

Es war nicht alles links, was glänzt: Eine Ausstellung in Weimar widmet sich dem Thema „Bauhaus und Nationalsozialismus“. Ein Gewitter an Objekten, das Fragen offen lässt.

Von Christian Eger 09.05.2024, 17:03
Form folgt der Funktion: Plakat zur Schau "Deutsches Volk - Deutsche Arbeit" (1934) vom Bauhäusler Herbert Bayer - als Kopie im Schiller-Museum
Form folgt der Funktion: Plakat zur Schau "Deutsches Volk - Deutsche Arbeit" (1934) vom Bauhäusler Herbert Bayer - als Kopie im Schiller-Museum (Foto: Thomas Müller)

Weimar/MZ. - Unter den vielen überraschenden Schaustücken der Ausstellung gehören diese zu den überraschendsten: Fotografien, die Adolf Hitler auf einem Stahlrohrstuhl zeigen. Abgelichtet von seinem Leibfotografen Heinrich Hoffmann, präsentiert sich der Diktator 1935 und 1937 auf einem Möbelstück mit Bauhaus-Referenz – dem Thonet-Stuhl Nr. K46, entworfen von einem Mitarbeiter des vormaligen Bauhaus-Jungmeisters Marcel Breuer. Ein Stuhl, der zu Hitlers Haushalt auf dem Obersalzberg gehörte.

Auch nach 1933: Mit dem Bauhaus sitzt sich’s gut? Mancher mag sich die Augen reiben. Aber die Bauhaus-Herkunft eines „Volksgenossen“ war für die Nazis kein Ausschluss-Kriterium für die politische Teilhabe. Und dass nicht alle Bauhäusler lupenreine Demokraten waren, das konnte wissen, wer es wissen wollte. Dass der Bauhaus-Absolvent Fritz Ertl die Baracken in Auschwitz entwarf. Dass es Ernst Neufert auf Hitlers „Gottbegnadeten“-Liste für Architekten schaffte. Alles bekannt.

188 NSDAP-Mitglieder

Insofern ist in der Hauptsache wenig neu, was da seit Mittwoch – kulturpolitisch eindeutig im Hinblick auf die Thüringen-Wahl platziert – an drei Standorten in Weimar unter dem Titel „Bauhaus und Nationalsozialismus“ gezeigt wird. Neu ist der große Auftritt. Der Umstand, dass alles in einer Schau zusammengeführt wird. Das sind, erörtert an rund 450 Objekten (die meisten aus Dessau), vor allem Biografien – solche von NS-Opfern aus den Bauhausreihen, vor allem aber und vorrangig von späteren NS-Aktivisten und -mitläufern.

Aber mit wem haben wir es bei den Bauhäuslern zu tun? Eine erste, von den Kuratoren Anke Blümm (Bauhaus Museum) und Patrick Rössler (Universität Erfurt) vorgenommene statistische Auswertung zum Thema Bauhaus und NS gehört zu den Leistungen der Schau. Demnach gab es insgesamt 1.253 Studierende von 1919 bis 1933 an den Bauhäusern in Weimar, Dessau und Berlin. Nach 1933 blieben von diesen 569 in Deutschland; 202 verließen vor, 134 nach 1933 offenbar aus politischen Gründen das Land. Von 363 Studierenden ist das Schicksal unbekannt. Nachweisliche Partei-Kommunisten gab es etwa ein Dutzend, sagt Patrick Rössler.

Nicht die Bauhaus-Zugehörigkeit wurde verfolgt

Von den nach 1933 in Deutschland gebliebenen 569 Bauhäuslern waren 188 nachweislich Mitglieder der NSDAP, darunter 18 Frauen. 15 traten der SA, 14 der SS bei. Hinzu kommen Mitgliedschaften in NS-Parteiorganisationen und Institutionen der NS-Kulturpolitik. Die Dunkelziffer wird größer sein, denn die Biografie von 363 Studierenden ist ja unbekannt. Wer in Rechnung stellt, dass eine Aufnahme in die NSDAP gar nicht ohne weiteres möglich war, muss feststellen: Eine Bauhaus-Prägung schloss den engagierten NS-Einsatz nicht aus, was jene Lesart stört, die Bauhaus-Studierende als natürliche Antifaschisten begreift.

Nicht die Zugehörigkeit zum Bauhaus wurde nach 1933 geahndet, sondern eine jüdische Herkunft oder ein entschieden linkes Engagement. 24 verfolgte Bauhäusler verloren ihr Leben. Die ungleich größere Zahl baute sich, obwohl ihre vorherige Kunst als „entartet“ diffamiert wurde, nach 1933 eine erfolgreiche Karriere auf.

Drei Stationen bietet die Schau, die besser an einem Ort gezeigt worden wäre. So sind zwei kleinere Präsentationen (Bauhaus-Museum, Neues Museum) und eine Schau mittlerer Größe (Schiller-Museum) abzuwandern. Der Auftakt im Neuen Museum zeigt die „Politischen Kämpfe um das Bauhaus 1919-1933“. Sehr kursorisch, wie überall, aber doch mit interessanten Details. Zu sehen sind etwa ein völkischer Entwurf für eine Neubebauung des Bauhaus-Musterhaus-Grundstückes am Horn in Weimar, zudem Fotodokumente und ein Wandteppich aus dem zur Landesfrauenarbeitsschule umgewidmeten Bauhaus in Dessau.

„Sippenwiege“ für den SS-Gebrauch

Im Bauhaus-Museum wird die Aktion „Entartete Kunst“ von 1937 – der 1930 eine Kunst-„Säuberung“ in Weimar vorausging – in der Großen Deutschen Kunstausstellung von 1937 in München gespiegelt. Dorthin lieferte der Dessauer Paul Klee-Schüler Wilhelm Imkamp ein Porträt der Pianistin Elly Ney, das Hitler für seine persönliche Sammlung erwarb. Hingegen der Bauhäusler Heinrich Basedow, NSDAP-Mitglied seit 1930 und SA-Mann, ging leer aus; sein Möwenbild war zu avanciert.

Ihren Glutkern enthüllt die Schau im Schiller-Museum, die „Lebenswege in der Diktatur 1933-1945“ vorführt. Hier stehen die wenigen NS-Opfer neben den sehr vielen NS-Mitläufern, im Fall von Fritz Ehrlich ging der eine in den anderen Status über. Der Buchenwald-Häftling, der den Schriftzug „Jedem das Seine“ in Bauhaus-Lettern gestaltete, war – Jahre nach seiner Haftentlassung – in der Berliner Zentrale des SS-Bauwesens tätig. Die Schau zeigt unter anderem eine von Ehrlich für den Buchenwald-Kommandanten Koch gestaltete SS-„Sippenwiege“.

Kunst, die den Staat braucht

Ein Gewitter an Objekten, das den Besucher am Ende aber doch im Regen stehen lässt. Denn was sagt es über die Kunst des Bauhauses, wenn wir wissen, welche seiner Schüler sich vor und nach 1933 dem Nationalsozialismus angedient hatten? Hier zeigt sich die Schwäche der Schau, die viele Dinge, aber wenig Gedanken bietet. Man traut sich was, aber nur halb. Vor allem kein wertendes Wort.

Zu prüfen wäre, ob und wo es Schnittmengen gibt zwischen Bauhaus- und NS-Moderne, zwischen „gotischem“ Bauhütten-Kult am Anfang und Massenbauten am Ende. Wie das politisch-soziale Profil der Bauhäusler insgesamt aussieht. Dass mutmaßlich weniger das Bauhaus das Problem ist, sondern vielmehr der politische, bis heute je nach gesellschaftlicher Nachfrage neu justierte Bauhaus-Kult nach 1945. Dass die am Bauhaus gelehrte, auf Massengebrauch zielende angewandte Kunst, dass Architektur, Design und Reklame, notwendig auf starke staatliche und gesellschaftliche Aufträge angewiesen sind, das galt vor 1933 – und genauso danach.

Den Unterschied macht das offen mörderische, im neuen Weimarer „Museum Zwangsarbeit“ durchschlagend sachlich dokumentierte Kalkül des NS-Systems. Dem zuzuarbeiten, davor schützte eine Bauhaus-Herkunft nicht.

Bis 15. September in Weimar: Bauhaus-Museum, Neues Museum Mo, Mi-So 9.30-18 Uhr, Schiller-Museum Di-So 9.30-18 Uhr. Katalog, 256 Seiten, im Museum 37 Euro, im Handel 49,90 Euro. Museum Zwangsarbeit, Semprún-Platz 2, Di-So 10-18 Uhr.